Lerntipps für die Ferien: Wann, wie, was lernen?
Katharina Looks
Entspannt in der Natur lernen
Erholen oder am Ball bleiben? Oder gibt´s noch was dazwischen? Wir sprachen mit Prof. Dr. Elke Hildebrandt über ihre Lerntipps für die Ferien.
Umfragen von scoyo haben ergeben, dass zwei Drittel der Kinder in Deutschland in den Ferien lernt.* Die Mehrheit von ihnen vertieft und wiederholt den Schulstoff ein bis zwei Stunden oder sogar mehr pro Ferienwoche. Doch viele Eltern sind verunsichert, sie wissen nicht genau, wie das Lernen in den Ferien aussehen sollte, damit es den Kindern auch wirklich etwas bringt.
Wir sprachen mit Prof. Dr. Elke Hildebrandt, Professorin für Unterrichtsentwicklung in der Vorschul- und Primarstufe an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz, über ihre Lerntipps für die Ferien.
Interview mit Prof. Dr. Elke Hildebrandt – mit Tipps vom Experten
Deutlich mehr als die Hälfte der von uns befragten Kinder in Deutschland lernen in den Ferien. Wie kommt das?
Prof. Dr. Prof. Dr. Elke Hildebrandt: Dass so viele Kinder in den Ferien für die Schule lernen, macht deutlich, dass ein großer Leistungsdruck in unserer Gesellschaft vorherrscht. Der schulische Erfolg hat eine neue Rolle eingenommen. Dieser Leistungsdruck hat aber häufig auch mit Angst zu tun. Und Angst blockiert.
Das belegt auch die Meta-Studie von John Hattie: Er zeigt, dass sich der Lerneffekt erhöht, wenn die Angstfaktoren reduziert werden. Eltern sollten sich also fragen: “Helfe ich meinem Kind, wenn es auch in den Ferien für die Schule lernt, oder erhöhe ich damit nur den Angstfaktor?” Hattie weist aber auch nach, dass zu lange Sommerferien den Lerneffekt minimieren, wobei er besonders die zwölfwöchigen US-amerikanischen Ferien im Blick hat.
Was haben Sie für einen Tipp, damit das Lernen in den Ferien eben nicht zur negativen Erfahrung wird?
Prof. Dr. Elke Hildebrandt: Summer Schools und Ferienprogramme, die benachteiligte Kinder fördern, sind zum Beispiel sehr sinnvoll. Bildungsambitionierte Eltern hingegen sollten darauf achten, ihre Kinder zu entlasten. Wichtiger ist das gemeinsame Spielen, z. B. draußen mit einer Schnitzeljagd oder Geocaching.
Hilfreich ist es für alle Kinder, aber besonders für solche, die sich wenig zutrauen, wenn ihr Selbstwertgefühl erhöht wird. Hatties Analysen haben zum Beispiel gezeigt, dass Wildnis-Camps unterstützend wirken können. Kinder bewältigen darin Aufgaben in der Natur. Das kann sich auch positiv auf den Mathematikunterricht auswirken. Viele Kinder haben in diesem Fach eine negative Selbstwahrnehmung und denken, “Das kann ich sowieso nicht”. Wenn sie aber erlebt haben, dass sie Probleme lösen können, trauen sie sich auch im Unterricht mehr zu. Auch Pfadfinder oder kirchliche Träger bieten oft spannende Freizeiten in den Ferien an, welche ähnliche Funktionen haben.
In welchen Situationen macht es durchaus Sinn, dass Kinder in den Ferien lernen, und wie viel Zeit sollten sie dann mit Schulthemen verbringen?
Prof. Dr. Elke Hildebrandt: Der Schulwechsel ist zum Beispiel eine schwierige Situation für Kinder. Wenn sie der Wechsel motiviert, etwas aufzuholen oder zu vertiefen, können sie gut in den Sommerferien lernen. Hier kann es sinnvoll sein, jeden Tag zwei Stunden systematisch zu lernen. Aber auch dann sollten noch drei Wochen Zeit ohne schulisches Lernen bleiben. Fühlen sich Kinder dagegen überfordert und unter Leistungsdruck gesetzt, brauchen sie Entlastung und keinesfalls Beschäftigung mit schulischem Lernstoff.
Keine Beschäftigung mit schulischem Lernstoff und trotzdem “lernen”? Wie geht das?
Prof. Dr. Elke Hildebrandt: Grundsätzlich gilt: Wir lernen immer. Und wenn Kinder Interessen haben, warum sollen sie sich dann nicht in den Ferien damit beschäftigen? Kinder, die gerne lernen, lesen meistens auch viel, andere z. B. musizieren. Bei allzu großem Ehrgeiz sollten Eltern ihre Kinder allerdings auch zu Pausen motivieren.
Spielen heißt die Devise
Gut ist, wenn Kinder gemeinsam aktiv sind und sich im Spiel austauschen. Und wenn Kinder mal verlieren, lernen sie mit Frustration umzugehen. Das hilft auch bei schulischen Misserfolgen. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Spielens ist das Miteinander. Kooperationsfähigkeit braucht man auch im normalen Leben, im Privaten genauso wie in der Arbeitswelt. Super wäre es, wenn bildungsbewusste Eltern auch Kinder aus sozioökonomisch oder familiär belastetem Umfeld gerade in den Ferien häufig einladen würden, damit auch diese vom Bildungsgehalt des Miteinander-Spielens profitieren können.
Fernsehen wirkt sich negativ auf die Lernleistung aus
Was hingegen das Lernen erschwert, sind viele visuelle Eindrücke, die Kinder heutzutage verarbeiten müssen. Schulische Inhalte haben es dann schwerer, sich im Gehirn zu verankern. Je mehr Schüler fernsehen, desto weniger lernen sie für die Schule. Es gibt natürlich auch gute Fernsehprogramme, aber es geht vor allem um die Dauer, denn die visuelle Verarbeitung bindet sehr viel Hirnleistung.
Unsere Umfrage hat auch ergeben, dass das Thema Lernen vermehrt zu Streit führt, je mehr die Kinder in den Ferien lernen.
Prof. Dr. Elke Hildebrandt: Konflikte entstehen vor allem dann, wenn Kinder nicht einsehen, warum sie für die Schule lernen sollen. Deswegen sage ich immer: auf die Kinder schauen. Das heißt nicht, dass Eltern deswegen alles durchgehen lassen sollten. Aber es gibt viele Möglichkeiten, sich ohne Konflikte mit Lernstoff zu beschäftigen.
Wie können solche “konfliktfreien Lerntipps” für die Ferien aussehen?
Prof. Dr. Elke Hildebrandt: Kinder, die etwa Probleme haben, sich sprachlich auszudrücken, können das mit Spielen wie Tabu oder Activity verbessern. Wortarten bzw. Satzteile können lustvoll mit “Onkel Otto plätschert lustig in der Badewanne” geübt werden. Stadt, Land, Fluss schult auch geografische Kenntnisse, wenn man z. B. gemeinsam herausfindet, wo der Amazonas liegt. Für Mathematik helfen auch Spiele wie Yazzi oder Uno – meine Kinder haben so zum Beispiel Addition und Multiplikation gelernt. Mit Lego oder La Boca zu bauen, trainiert das räumliche Vorstellungsvermögen.
Was ist Ihr ganz persönlicher Lerntipp für die Eltern, wenn es ums spielerische Lernen in den Ferien geht?
Prof. Dr. Elke Hildebrandt: Eltern sollten darauf achten, was sie selbst gerne spielen und ihre Kinder dazu einladen. Kinder merken schnell, wenn die Erwachsenen selbst kein Interesse haben.
* Die Ergebnisse beruhen auf folgenden Umfragen (April 2014):
- Repräsentative, bundesweite forsa-Umfrage im Auftrag von scoyo. Befragt wurden 1.015 Personen im Alter von 25 bis 59 Jahren mit schulpflichtigen Kindern im Haushalt.
- Bundesweite FACT-Online-Befragung im Auftrag von scoyo. Befragt wurden 963 Kinder zwischen 6 und 14 Jahren.
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