Wie Eltern ihre Kinder richtig fördern
Katharina Looks
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Eltern sollten nicht als Ersatzlehrer das übernehmen müssen, wofür eigentlich die Schule zuständig ist. Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, über die richtige Förderung von Kindern.
Über Förderung, Förderwahn und Versäumnisse der Schule
Viele Eltern sorgen sich, weil sie beobachten, dass die Schule offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, ihre Kinder bei Lernschwierigkeiten oder besonderen Begabungen richtig zu fördern. Was können sie tun? Beim zweiten scoyo-Elternabend ging es genau um dieses Thema. Einen der Experten der Runde, Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), haben wir nach Tipps gefragt: Wie können Eltern ihre Kinder unterstützen, ohne dabei in die Rolle von Helikopter-Eltern zu rutschen?
Das Interview:
Herr Wenzel, Sie vertreten die Meinung, dass Schülerinnen und Schüler nicht von ihren Eltern zuhause, sondern in der Schule gefördert werden sollten. Kann die Schule das aktuell überhaupt leisten?
Ich bin sehr dafür, dass Kinder von Geburt an von ihren Eltern auf vielfältige Weise gefördert werden. Eltern sollten aber nicht als „Ersatzlehrer“ das übernehmen müssen, wofür eigentlich die Schule zuständig ist. Dass die heute kaum in der Lage ist, Kinder individuell und richtig zu fördern, liegt vor allem daran, dass unser Schulsystem total unterfinanziert ist. Für intensive Betreuung bräuchten wir vor allem deutlich mehr Lehrerinnen und Lehrer, kleine Klassen und überschaubare Lerngruppen.
Was können Eltern machen, um diese Versäumnisse auszugleichen?
Eltern sollten sich solidarisieren und organisieren. Sie haben sehr viel Macht, die sie kaum nutzen. Leider denken zu viele Eltern nur an ihr eigenes Kind und vergessen dabei, dass sie nur dann etwas bewegen und verbessern können, wenn sie sich politisch engagieren. Und zwar unabhängig davon, wie ihr Kind mit den schulischen Bedingungen zurecht kommt.
Veränderungen im Schulsystem lassen sich aber doch eher langfristig durchsetzen. Was machen die Eltern, die akute Probleme haben und ihre Kinder richtig fördern wollen?
Leider ist es so, dass schulpolitische Veränderungen erst dann kommen, wenn die Öffentlichkeit Druck macht. Wenn der stark genug ist, geht es oft sehr schnell, und es werden zum Beispiel zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer eingestellt. Bis es so weit ist, müssen wir vor allem dafür sorgen, dass unsere Kinder nicht von der Last der Probleme erdrückt werden. Wir müssen sie also entlasten, ihnen Mut machen und sie immer wieder auf ihre Stärken hinweisen. Das fördert das Selbstvertrauen und hilft ihnen, mit Problemen souveräner umzugehen.
Lehrer finden es auch anstrengend, wenn sich Eltern einmischen und ihre Wünsche und Forderungen an den Unterricht und an die Schule äußern. Wo liegt das richtige Maß?
Ich war 34 Jahre lang Lehrer und fand das nie anstrengend. Wichtig ist, dass sich Eltern und Lehrer ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Kinder bewusst sind und sich gegenseitig mit Wertschätzung und Achtung begegnen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit den Eltern (fast) jedes Problem lösen.
Bei der Entscheidung für die Schule können Eltern wichtige Weichen stellen. Worauf ist zu achten?
Eltern sollten sich mit Vätern und Müttern unterhalten, die ihr Kind bereits auf der in den Blick genommenen Schule haben. Sie sollten einen Tag der offenen Tür besuchen und sich mit Lehrerinnen und Lehrern unterhalten. Und sie sollten die Hauptperson, also das Kind, in den Entscheidungsprozess einbeziehen. ► Mehr dazu finden Sie in unserem ebook Ratgeber Schulwahl.
Was raten Sie Eltern, die beobachten, dass ihr Kind in der Schule unterfordert ist und sich langweilt?
Erst einmal zwei Gespräche führen. Eins mit dem Kind und eins mit der Lehrerin oder dem Lehrer. Bei diesen Gesprächen würde ich etwas über die Gründe der Unterforderung erfahren und wir (Lehrer/Lehrerin, Eltern und Kind) könnten gemeinsam einen zusätzlichen Lernplan entwickeln, der spannend und herausfordernd ist, und mit dem man Kinder richtig fördern kann.
Unser Schulsystem geht insgesamt sehr unprofessionell mit den Kindern um, die sich an den „Begabungsrändern“ befinden, also sowohl mit den Unterforderten als auch mit den Überforderten. Der seit etwa fünf Jahren laufende Inklusionsprozess könnte hier positive Veränderungen bringen. Allerdings nur dann, wenn die Schulen (also Kinder, Eltern und Lehrer) bei diesem Prozess intensiv und konsequent unterstützt werden.
Untersuchungen zeigen, dass Kinder in der Schule mit wachsendem Alter den Spaß am Lernen verlieren. Was können Eltern machen, um diese Motivation zu erhalten?
Die angesprochene Tendenz stimmt, aber es gibt zum Glück auch ältere Schüler, die noch gerne in die Schule gehen. Denen wurde oftmals von zuhause kein zusätzlicher Druck gemacht. Die Lernfreude ließe sich stabilisieren, wenn die Schulpolitik endlich etwas für eine moderne Lern- und Leistungskultur schaffen würde, mit der man Kinder richtig fördern kann: Belehrungsrituale müssen auf ein Minimum reduziert werden, anspruchsvolle und interessante Lernarrangements den schulischen Alltag bestimmen.
Aber auch die Eltern können etwas machen, und zwar von Anfang an. Sie sollten ihren Kindern vom Säuglingsalter an eine anregungsreiche Umgebung bieten, ihnen vorlesen, mit ihnen singen, die Natur erkunden, Museen besuchen, gemeinsam einen guten Film anschauen… Eigentlich ist es ganz einfach, wenn Eltern sich an einen Grundsatz halten: Sie sollten sich selbst als „Schatzsucher“ sehen und die Stärken des Kindes mehr zum Thema machen als die Schwächen. →Mehr dazu: 10 Tipps für Eltern: So motivieren Sie Ihr Kind zum Lernen
Über Klaus Wenzel
© Klaus Wenzel Klaus Wenzel vertritt seit 2007 als Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes etwa 60.000 Pädagogen in Bayern. Zuvor arbeitete er zunächst als Hauptschullehrer und seit 1984 als Seminarleiter für das Lehramt an Hauptschulen. Von 1988 bis 2007 vertrat Wenzel die Interessen bayerischer Lehrerinnen und Lehrer zudem im Hauptpersonalrat am Staatsministerium für Unterricht und Kultur. Der Vater dreier Söhne und Opa von fünf Enkeln versteht sich als „Anwalt der Schule“. Sein Ziel: die Schule zu einem attraktiven und leistungsfähigen Lern- und Lebensort zu machen, an dem alle Beteiligten Erfolgserlebnisse erfahren können. So fordert er, dass der Schulerfolg nicht länger vom Elternhaus abhängen solle, sondern individuelle Förderung wieder in den Schulen stattfinde.
Website: www.bllv.de
Twitter: @bllv | twitter.com/bllv
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