Traumberuf ohne Abitur – Felix Weg zum Veranstaltungstechniker (und weiter)
Katharina Looks
Gymnasium ist kein Muss: Felix Weg zum Veranstaltungstechniker
In “Alternativen zum Gymnasium” stellen wir Menschen vor, die erfolgreich im Beruf sind, aber keinen “geraden Weg” gegangen sind. Wie Felix: Seine Schulzeit war holprig, doch Fleiß und soziale Kompetenz öffneten ihm Türen.
“Klar würde ich niemandem raten, es nicht mit dem Abitur zu versuchen – aber es geht auch ohne! Ich habe meinen Traumberuf trotz mieser Noten bekommen.”
Glücklich ohne Abitur? Ja, und wie! Nicht jeder fühlt sich an einer staatlichen Schule wohl und/oder ist schon während der Schulzeit ein Überflieger. Dass beruflicher Erfolg auch von vielen anderen Faktoren abhängt, beweist der Werdegang von Felix Stamer. Für unsere Serie “Alternativen zum Gymnasium” hat er uns Rede und Antwort gestanden. So startete Felix, trotz mäßiger mittlerer Reife an einer Waldorfschule, in seinem Traumjob als Veranstaltungstechniker voll durch und setzt sich jetzt noch höhere Ziele.
Erzähl uns von deiner Schullaufbahn – wie kam es, dass du nach der Grundschule auf eine Waldorfschule gegangen bist?
© Ich war eigentlich ein durchschnittlicher Schüler und ging nach der Grundschule auf die Realschule. Dort wurde ich jedoch zunehmend gehänselt und meine Noten gingen ordentlich in den Keller. Hinzu kam, dass ich immer unkonzentrierter wurde und mir auch Konzentrationstraining am Nachmittag nicht geholfen hat.
Meine Mutter begann, sich über alternative Schulformen zu informieren und stieß auf eine bezahlbare Waldorfschule in unserer Nähe. Schnell war ein Vorstellungsgespräch vereinbart und, siehe da, schon wurde ich ein Waldorfschüler.
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Welche Erfahrungen hast du an der Waldorfschule gemacht? Hattest du das Gefühl, dass deine Stärken gefördert werden?
Ich habe dort positive und auch negative Erfahrung gemacht, so wie wahrscheinlich jeder andere Schüler – unabhängig von der Schulform, die er besucht. Auf jeden Fall habe ich mich wohl gefühlt und mit fast allen Klassenkameraden verstanden. Bei den vielen Klassenfahrten lernt man sich sehr gut kennen.
Ein Vorteil für mich war ganz klar der Epochenunterricht. Da hat man ein Fach drei bis vier Wochen am Stück und setzt sich wirklich intensiv mit dem Schulstoff auseinander. Dass Kreativität an Waldorfschulen groß geschrieben wird, hat mir auch ganz gut gefallen. Aber, dass ich jetzt zum Beispiel ein Profi an der Nähmaschine bin, wird mich zukünftig wohl nicht großartig weiterbringen.
Bekamst du Unterstützung beim Lernen, zum Beispiel Nachhilfe?
Mit 16 hatte ich andere Dinge im Kopf als Schule und musste zu einem Nachhilfelehrer. Um ehrlich zu sein, gebracht hat das leider nicht sehr viel. Selbst die beste Nachhilfe ist ohne die nötige Motivation zwecklos. Trotzdem habe ich nie geschwänzt oder bin zu spät gekommen – Grundsätze, die mir heute noch wichtig sind und sich später im Berufsleben positiv ausgewirkt haben.
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Welchen Abschluss hast du gemacht?
Ich habe einen erweiterten Realschulabschluss, den legt man nach der 12. Klasse an der Waldorfschule ab. Theoretisch ist das ein Fachabitur, aber der Abschluss wird staatlich nur als Realschulabschluss gewertet.
Wie ging es nach deinem Abschluss weiter? Woher wusstest du, was du machen möchtest und wie bist du vorgegangen, um dein Ziel zu erreichen?
Nach dem Abschluss hatte ich eigentlich auf gar nichts Lust. Zum Glück haben mich meine Eltern zur Vernunft gebracht. Die Idee mich bei Veranstaltungstechnikfirmen zu bewerben kam daher, dass ich mich in der Schule um die Beleuchtung des Theaters gekümmert habe, was mir total Spaß gemacht hat. Mein Stiefbruder ist studierter Veranstaltungstechniker, so hatte ich schon eine Vorstellung von der Branche.
Meine Noten waren ja nicht besonders gut und meine Bewerbungen wurden unzählige Male abgelehnt. Nur bei einer Firma hat es für ein Vorstellungsgespräch gereicht. Im persönlichen Gespräch konnte ich mit meiner sozialen Einstellung dann sofort punkten und bekam eine Stelle als Langzeitpraktikant. Ich habe wirklich alles gegeben. Das merkte auch mein Chef, der mich nach sechs Monaten total trocken gefragt hatte, wann ich den nun endlich meinen Ausbildungsvertrag unterschreibe.
Nach drei Jahren Ausbildung habe ich einen richtig guten Abschluss hingelegt und wurde direkt übernommen – was in dieser Branche echt selten ist! Mittlerweise konnte ich in meiner Firma immer weiter aufsteigen und bin Disponent, sowie Abteilungsleiter für gewisse Bereiche.
Bist du zufrieden mit deinem Weg?
Ich kann mich auf keinen Fall beschweren. Ich habe meinen damaligen Traumjob, trotz mieser Noten, durch jede Menge Fleißarbeit bekommen. Nach 10 Jahren im Beruf habe ich mittlerweile auch Lust auf neue Herausforderungen. Ich persönlich finde es wichtig, dass man mit sich selbst im Einklang ist und eine Anstellung findet, die einen glücklich macht. Niemand sollte sich in die eigene Zukunft reinreden lassen und sich gezwungen fühlen, auf der Karriereleiter immer weiter nach oben zu müssen.
Würdest du sagen, du hast deine beruflichen Ziele erreicht? Oder geht es für dich vielleicht noch weiter?
Ich selber bin noch längst nicht da, wo ich gerne hin würde. Das Schöne ist, dass man mit genug Berufserfahrung die Chance hat, auch mit einem Realschulabschluss zu studieren. Mir stehen also wieder alle Türen offen. Ich finde es gut, mehrere Optionen im Leben zu haben. Mit einem dualen Studium beispielsweise könnte ich die Branche noch einmal komplett wechseln, ohne dass ich alles aufgeben müsste, was ich bisher erreicht habe.
Heutzutage besteht der Eindruck, dass Kindern ohne Abitur keine erfolgreiche Zukunft bevorsteht. Wie stehst du dazu?
Das sehe ich nicht so. Klar würde ich niemandem raten, es nicht mit dem Abitur zu versuchen. Aber man sieht ja an meinem Werdegang, es geht auch ohne.
Heutzutage stehen viel eher soziale Kompetenzen im Vordergrund. Das ist nicht nur eine Vermutung. Ich erlebe täglich, dass Eigenschaften wie Teamfähigkeit, Pünktlichkeit, strukturiertes Arbeiten sowie Spaß und Freude am Arbeiten viel wichtiger sind als gute Noten.
Was würdest du Familien mit auf den Weg geben, die kurz vor der Wahl einer weiterführenden Schule (Realschule, Gymnasium & Co.) stehen?
Jede Familie ist natürlich anders gestrickt … Einen Rat, den ich aber allen Eltern geben würde ist, versucht einen guten Draht zu euren Kindern aufzubauen. Hätte meine Mutter das mit dem Mobbing nicht mitbekommen, wüsste ich ehrlich gesagt nicht, wo ich jetzt wäre.
Und versucht beim Wechsel auf die weiterführende Schule darauf zu achten, wo die Grundschulfreunde hingehen. Gemeinsam mit alten Freunden auf die neue Schule zu kommen ist Gold wert.
Das Interview führte Ronja Magdziak aus der ELTERN! Redaktion.
Sind Sie auch “glücklich ohne Abitur”? Oder haben die Hochschulreife auf Umwegen erreicht, so wie Mediendesignerin Jenni? Teilen Sie uns gerne Ihre Erfahrungen in den Kommentaren mit. Wir würden uns freuen!
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