Digital Detox: Ein Wochenende Smartphone-Fasten
Katharina Looks
Kann ein Wochenende ohne Handy klappen?
Digitales Fasten: sinnloser Trend oder heilbringendes Erlebnis? Unsere Redakteurin macht den Selbstversuch. Eine Kolumne über digitale Abhängigkeit und ein Wochenende ohne Technik.
Eigentlich bin ich kein Freund von Trends. Okay, in der Schule habe ich weite Schlaghosen und enge Tattoo-Halsbänder getragen. Aber die Zeiten sind vorbei. Ich hab mich weiterentwickelt, bin jetzt erwachsen und so. Ein Trend aber läuft mir in letzter Zeit immer wieder über den Weg: Digitales Fasten. Für einen bestimmten Zeitraum einfach mal bewusst auf digitale Technik verzichten? Ich bin dabei!
Wie ich diese verrückte Idee gut finden kann? Ich fühle mich abhängig. Im Alltag muss ich mich oft selbst ermahnen, doch nicht ständig aufs Smartphone zu schauen. Beim Essen lasse ich es absichtlich in einem anderen Raum liegen mit dem unguten Gefühl, es könnte ja genau jetzt jemand Wichtiges anrufen oder schreiben. Katastrophe, wenn ich es einmal zu Hause vergesse. Nicht nur, weil der Kindergarten anrufen könnte, weil mein Sohn sich beim Kneten die Nase gebrochen hat, sondern auch, weil ich mich unvollständig fühle. Abgeschnitten.
Und das, obwohl ich mich bis vor etwa eineinhalb Jahren standhaft gewehrt habe, diese ganze Smartphone-Manie mitzumachen. Mir reichte mein altes Nokia-Tastentelefon. Anrufe und SMS.
Dann schenkte mir mein Bruder sein altes Smartphone und es war schneller um mich geschehen, als ich Facebook-Messenger sagen konnte: Morgens nach dem Aufstehen in die Wetter-App schauen, auf dem Weg zur Arbeit E-Mails lesen, über den Facebook-Gruppenchat den Städtetrip nach Amsterdam planen, abends dem Kind noch ein Wir-bauen-irgendwas-aus-Lego-Youtube-Video zeigen, auf dem Sofa meine Pinterest-Pinnwande bestücken und nachts im Bett noch den letzten Tatort schauen, den ich verpasst habe, weil der Knirps nicht pünktlich Sonntag um 20:15 Uhr schlafen wollte. Nur What’s App habe ich bis jetzt nicht installiert. Brauche ich nicht, sagt der rest-rebellische Handy-Höhlenmensch in mir. Höhö.
Der Kurze und ich sind auf dem Weg ins Schwimmbad, er: „Mama, kann ich das Lied mit der Sssokolade hören?“ Ich will über den Bildschirm wischen, aber nichts geht mehr. Rien ne vas plus. Die nächsten Stunden fühle ich mich so unruhig, meine Gedanken kreisen nur um das eine: Mein Smartphone. Oh Gott, wenn es jetzt kaputt ist? Wenn ich jetzt ein Neues kaufen muss!? All meine Daten! Aaaah. Nach etlichen Stunden funktioniert es wieder. Ich bin unglaublich erleichtert.
Ich bin jetzt also offiziell das, was ich nicht sein wollte: Ein Smartphone-Junkie. Vielleicht brauche ich mal eine Pause, einen kalten Entzug.
Am Wochenende fahren wir zu meiner Mutter aufs Land, da ist der Handyempfang eh schlecht und das W-Lan ein Witz. Ich habe keine Verabredungen und muss also nicht zwingend telefonieren oder schreiben. Ich mache mein Handy einfach aus. Ein ganzes Wochenende lang. Huh, bei dem Gedanken schaudert es mich ein bisschen.
Ich packe unsere Sachen ein, schaue noch ein letztes Mal auf mein Display. Ja, nehme ein bisschen so etwas wie Abschied. Dann schalte ich das Handy aus. Und lasse es zurück in unserer Stadtwohnung. Ich will mich ja nicht selbst betrügen. Schei…benkleister, wann fuhr nochmal der Bus?
Wieder und wieder überkommt mich der Impuls, in meine Tasche nach dem Smartphone zu greifen. Mein Handy dient mir auch gleichzeitig als Uhr. Woher soll ich denn nun bloß wissen, wie spät es ist? Vielleicht von der Zeitanzeige im Fahrgastfernsehen. Oder den Uhren am Bahnsteig. Oder am Straßenrand. Irgendwie schaffen wir es, pünktlich den Bus ins Nirgendwo zu erwischen.
Das Gefühl, aufs Telefon schauen zu wollen, wird den ganzen Tag über immer schwächer. Ich vermisse nichts, genieße einfach die Sonne, den herrlichen Garten, meine Mutter, meine Familie. Blumen auspflanzen, grillen, durch den Rasensprenger hüpfen, Lagerfeuer machen. Nur abends im Bett fühle ich mich ein bisschen einsam. Eigentlich bin ich so müde, dass ich sofort schlafen könnte. Aber mir fehlt die Routine, noch ein bisschen durch Netz zu geistern, bevor ich den Flugzeugmodus einschalte und die Augen schließe. Nicht nur Kinder brauchen Einschlaf-Rituale. Ich fahre noch kurz Gedanken-Karussell und drifte dann doch ziemlich schnell ins Traumland ab.
Nach einem ausgedehnten Sonntags-Frühstück machen wir einen langen Spaziergang. An den Feldern entlang, um den See herum. Der Sohn schaut mich erwartungsvoll an, lächelt verschmitzt. Ich nicke. In Windeseile pellt er sich aus den Klamotten und traut sich ins dunkelgrüne Wasser. Zuckt zusammen und zieht den Bauch ein, als seine Füße ins kalte Nass eintauchen. Diesen Moment würde ich gerne festhalten. Ein paar Fotos machen. Da muss wohl mein löchriges Gedächtnis herhalten, denn mein Multifunktions-Tool ist ja zu Haus geblieben.
Das Wochenende war herrlich entspannt. Am Sonntagabend bin ich aber trotzdem froh, bald nach Hause zu kommen. Mein Smartphone wieder einzuschalten. Wann fährt der Bus zurück ins digitale Leben? Gott sei Dank hat meine Mutter einen Faltplan da.
Lesson learned: Digitales Fasten kann befreien, aber …
Und, was habe ich vom digitalen Fasten gelernt? Ich bin leichter geworden. Nicht körperlich. Aber die Last abzuwerfen, ständig kommunizieren zu müssen, zu reagieren, ist schön. Sich von den Erwartungen der Freunde zu befreien, ständig erreichbar zu sein. Für Tage, an denen ich wirklich entspannen möchte, mich nur auf mich und meine Familie konzentrieren will, ist das wunderbar. Ganz bewusst abschalten.
Nicht kommunizieren zu können dagegen macht mich unsicher und belastet mich eher, als dass es mich befreit. Das Smartphone gehört einfach zu meinem Leben dazu, zum Kommunikationsverhalten meiner Generation. Der “Generation y”, den angeblich ersten Digital Natives. Was für Angela Merkel Neuland ist, ist für uns längst eine zweite Heimat.
Was mich an meiner Smartphone-Nutzung zweifeln lässt, ist wohl eher die – auch gesellschaftlich stark debattierte – Unsicherheit, was die Digitalisierung mit uns macht. Mit unseren Kindern. Unseren Gehirnen. Unseren zwischenmenschlichen Beziehungen. Unserer Gesellschaft. Mit der Welt.
Mein Digital-Detox-Wochenende hat mir vor allem gezeigt, dass ich mich davon noch stärker abgrenzen möchte: Von den Ängsten eines “Zuviel” an Technik, der allzu großen Skepsis. Mein Smartphone bereichert mein Leben und vereinfacht Vieles. Der digitale Weg, den ich bis jetzt gegangen bin, ist für mich richtig. Ja, ich werde meine Smartphone-Nutzung weiterhin kritisch überprüfen und möchte in Zukunft vermehrt bewusste Pausen einlegen. Aber eben nur, wenn Zeit und Ort dafür richtig sind. Wenn ich es selbst möchte. Alles können, nichts müssen.
Über die Autorin
Redakteurin Kali Richter studiert Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg. Sie schreibt nicht nur gerne über sondern auch für Kinder. Das gebürtige Nordlicht hat in Hamburg seine Heimat gefunden, fühlt sich aber in der Welt zu Hause, ihr Rucksack war dabei lange ihr liebster Begleiter. Seit sie 2011 Mutter eines Sohnes wurde, darf es aber auch mal Pauschalurlaub sein.
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