Schenken oder nicht schenken? Digitales auf dem Wunschzettel
Katharina Looks
Was steht dieses Jahr auf dem Wunschzettel?
Weihnachtszeit ist Wunschzettelzeit. Die Kinder schreiben oder malen, was ihr Herz begehrt. Oft finden sich Smartphones, Tablets oder Computerspiele darunter. Was nun? Eine Kolumne von Katja Reim, Journalistin und Bloggerin.
Kolumne von Katja Reim
Von guten und bösen Geschenken
Wenn Eltern die Wunschzettel ihrer Kinder heimlich oder offen lesen, werten sie oft unbewusst: Buch und Hörspiel – gut für die Fantasie. Stifte und Farben – wichtig für die Kreativität. Puppen und Autos – hervorragend zum Spielen. Brett- und Kartenspiele – hilfreich, um miteinander zu lernen.
Konsolen und Computerspiele – können abhängig und aggressiv machen. Smartphones und Tablets – können zum Zeitfresser und sogar zur Mobbingfalle werden.
Gute Dinge, böse Dinge. Schon stecken die Weihnachtsmannhelfer im Dilemma. Dabei sind es alles erst einmal nur Wünsche.
Elekronische Geschenke – ja, nein, vielleicht?
“Ist es dafür nicht zu früh?”, ist eine Frage, die häufig gestellt wird, wenn Kinder elektronisches Spielzeug haben wollen. Die Antwort darauf fällt unterschiedlich aus. Je nachdem, wen man fragt.
Es gibt Experten, Lehrer und Eltern, die meinen, Bytes & Co sollten aus der Kindheit verbannt werden. Weil es wichtiger ist, Erfahrungen in der realen Welt zu sammeln, draußen zu spielen, sich mit Freunden zu treffen oder sich einfach mal zu langweilen.
Und es gibt Experten, Lehrer und Eltern, die denken, dass Computer sehr wohl in Kinderhände gehören. Ich zähle mich zu letzteren. Nicht, weil ich draußen spielen oder Freunde treffen unwichtig finde. Im Gegenteil. Aber ich glaube, dass die Digitalisierung im Leben unserer Kinder eine immens wichtige Rolle spielen wird. “Wir bereiten Kinder auf Berufe vor, die es noch gar nicht gibt; Technologien nutzend, die noch nicht erfunden sind; um Probleme zu lösen, die wir heute noch nicht kennen”, meint dazu der US-Pädagoge Karl Fisch in “Shift Happens”.
Außerdem wird jedes Kind spätestens als Teenager mit dem Internet in der Hosentasche herumspazieren. Und die Pubertät – in diesem Punkt sind sich glaube ich alle einig – ist ein schwieriges Alter. Für Kinder und Eltern. Deren Ratschläge werden dann vom Nachwuchs in den Wind geschossen, was entwicklungstechnisch sogar ein gutes Zeichen sein soll.
Abgrenzung von den Eltern gehört für Teenager zum Erwachsenwerden, wie die digitale Welt zum 21. Jahrhundert. Nur, dass man beide zur gleichen Zeit erstmals aufeinander loslassen sollte, halte ich persönlich für gewagt.
Aber wann genau ist der richtige Zeitpunkt, seinem Kind die Werkzeuge fürs Virtuelle in die Hand zu geben? Und welche? Ich weiß es nicht. Und ich kann’s nicht wissen. Denn jedes Kind ist einzigartig. Jedes Kind hat seine eigenen Bedürfnisse. Deshalb sind die Eltern gefragt. Der einzige Rat, den ich geben kann ist:
Bevor Sie entscheiden, sollten Sie drei Dinge tun:
1.) Selbst einen Wunschzettel schreiben,
2.) Ihr Kind fragen und
3.) zuhören.
Zu 1.): Am schwierigsten ist, glaube ich, der Wunschzettel. Schreiben Sie – gerne an den Weihnachtsmann – was Sie sich für Ihr Kind in der virtuellen Welt wünschen. Keine “Nicht”-Liste, im Sinne von: Nicht so lange am Smartphone hängen, nicht süchtig werden, nicht zum Einsiedler verkommen etc.
Nein, ich meine einen wirklichen Wunschzettel. Was wünschen Sie sich für ihr Kind, wenn es durch die Tür hinaus in die virtuelle Welt tritt? Welche Werte soll es im Gepäck haben? Welche Entdeckungen machen? Welche Abenteuer soll es erleben? Welche Kieselsteine sollen ihm den Weg nach Hause weisen?
Jetzt denken Sie vielleicht, wozu einen Wunschzettel? Den Weihnachtsmann gibt es nicht, und das World Wide Web ist kein Märchenwald. Stimmt! In der virtuellen Welt lauern Gefahren, kann es hart, bösartig und ungerecht zugehen. Wie im realen Leben. Aber davor können wir Kinder nicht bewahren.
Kaum jemand verbietet seinem Kind das Radfahren, weil es stürzen oder im schlimmsten Fall sogar von einem Auto angefahren werden könnte. Niemand überträgt seine eigenen Ängste so weit auf das Kind, dass er es einsperrt und es sich nur heimlich aus der Wohnung schleichen kann.
Stattdessen versuchen Eltern, ihre Kinder so gut es geht auf die Unwägbarkeiten des Lebens vorzubereiten. Ihnen Selbstvertrauen, Neugierde, Empathie, Gespür für Situationen und Regeln mit auf den Weg zu geben. Warum nicht auch für die virtuelle Welt? Der Wunschzettel kann dabei hilfreich sein. Als ganz persönlicher Erziehungsleitfaden.
Zu 2.) und 3.): Danach fragen Sie Ihr Kind, warum es sich diesen speziellen Schlüssel zur den digitalen Weiten wünscht. Was es sich verspricht. Was mögliche Alternativen wären. Werten Sie nicht! Hören Sie nur zu! Und lassen Sie sich die Lieblingsspielplätze zeigen. Versuchen Sie, sich hineinzuversetzen und auch die Faszination zu sehen, nicht nur die Gefahr.
Danach legen Sie Ihren Wunschzettel neben den Ihres Kindes, und Sie werden wissen, ob es zu früh ist. Ob Ihr Kind ausreichend vorbereitet ist. Und wenn nicht, was Sie noch vorher beibringen müssen.
Wie auch immer Sie sich entscheiden – eines sollten Sie Ihrem Kind auf jeden Fall schenken: Zeit. Zeit mit Ihnen. Um miteinander zu reden, miteinander zu spielen, miteinander zu entdecken. Egal in welcher Welt.
Weitere Tipps hier im scoyo ELTERN! Magazin:
- Medienkompetenz-Test – wie fit ist Ihr Kind im Umgang mit digitalen Medien? (Plus Experten-Ratschläge)
- Medienkompetenz von Kindern fördern – Checkliste & Tipps:
- Das erste Smartphone – darüber sollten Sie sprechen
- Alle Geräte kindersicher machen – step by step
Über die Autorin Katja Reim
Die Journalistin Katja Reim (*1974) lebt in Berlin und ist Ressortleiterin bei der Tageszeitung ‘Berliner Kurier’. Zuvor arbeitete sie unter anderem in Mexiko für die Online-Nachrichtenagentur Cimac und studierte in Barcelona Politik- und Sozialwissenschaften. Als Mutter setzt sich Katja Reim intensiv mit dem Thema digitale Bildung auseinander. Sie ist überzeugt, dass Kindern schon früh Werte, Normen und Ratschläge mit auf den digitalen Weg gegeben werden sollten. In ihrem Blog meincomputerkind.de schreibt sie über die Medienerziehung ihrer achtjährigen Tochter. Sie moderiert Diskussionsrunden und hält Vorträge darüber, wie Eltern analoge Werte in die virtuelle Welt übertragen können. Damit die Kinder die Grundregeln im World Wide Web lernen, bevor sie sich mit dem Smartphone verpuppen und im Kokon der Pubertät zu Erwachsenen heranreifen.
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Blog: www.meincomputerkind.de | Twitter: twitter.com/computerkind | Facebook: facebook.com/meincomputerkind
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