Empathie: Wie Kinder Mitgefühl lernen

Katharina Looks

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Empathie ist ein erster Beziehungs-Baustein

Verständnis und Mitgefühl für andere Menschen sind wichtige Fähigkeiten, die unsere Kinder sich unbedingt aneignen sollten. Wir verraten, warum und wie wir sie dabei unterstützen.

In diesem Artikel

Was ist Empathie eigentlich?

Eine ganz klare Definition von Empathie gibt es nicht, Wissenschaftler sind sich hier nicht ganz einig. Grob zusammengefasst ist Empathie die Fähigkeit, zu erkennen, was in einem anderen vorgeht. Dabei hat Empathie viele Facetten, eines der bekanntesten Modelle dazu ist der “Interpersonal Reactivity Index” von Davis. Das Modell umfasst folgende Dimensionen:

  • Perspektivübernahme: die Fähigkeit, die Sichtweisen anderer einzunehmen
  • Mitgefühl: die Tendenz, empathische Gefühle für andere zu hegen, etwa Wärme und Freude für oder Sorge um andere, vor allem, wenn diese negative Erfahrungen machen
  • Persönliche Betroffenheit: die Tendenz, sich selbst unwohl, ängstlich oder gestresst zu fühlen, wenn andere negative Erfahrungen machen
  • Fantasie-Empathie: die Tendenz, sich stark mit fiktionalen Charakteren zu identifizieren, etwa aus Büchern, Filmen oder Spielen

Warum ist Empathie wichtig?

Empathisch zu handeln, bedeutet also nicht nur nachzuvollziehen, was der andere denkt, fühlt oder plant. Es bedeutet auch, Mitgefühl dafür zu haben, ihm Verständnis entgegenzubringen, wenn möglich, zu unterstützen. Warum sollten Kinder das unbedingt lernen? Wirklich empathisch zu handeln, ist enorm wichtig für viele Bereiche des täglichen Lebens: für ein gutes soziales Miteinander, zum Knüpfen stabiler Beziehungen, zur Übernahme sozialer Verantwortung, zum Lösen von Konflikten, ebenso wie für den beruflichen Erfolg. Wenn unsere Kinder also lernen, anderen Menschen emphatisch zu begegnen, haben sie das wichtigste Gepäck für die Reise durch das Leben dabei.

Wie lernen Kinder Empathie? Tipps für Eltern

Die gute Nachricht: Empathie kann jeder lernen, die Anlagen dafür stecken in uns Menschen. Die sogenannten “Spiegelneurone“, die in etwa zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr voll entwickelt sind, lassen uns Handlungen und Gefühle anderer nachvollziehen. Die schlechte Nachricht: Empathisches Handeln will  – wie so vieles – fleißig geübt werden, damit es so richtig klappt. Im Programm “making caring common” der Harvard Universität haben sich Forscher und Praktiker intensiv damit auseinandergesetzt, wie wir unsere Kinder zu emphatischen und fürsorglichen Menschen erziehen können. Wir haben die besten Tipps für Sie zusammengefasst.

Tipp #1: Eine emphatische Beziehung zum eigenen Kind aufbauen

Wie du mir, so ich dir: Andere zu respektieren und ihnen emphatisch zu begegnen lernen Kinder vor allem, indem ihnen selbst so begegnet wird. Eine enge und liebevolle Beziehung zu ihren Eltern macht sie außerdem offener für die Ratschläge und Wertevorstellungen dieser.

Wer also auf die körperlichen und emotionalen Bedürfnisse seines Kindes achtet und auf diese eingeht, ist auf dem besten Weg zum Empathie-Vorbild. Dazu gehört es natürlich seine Zuneigung zu zeigen, aber auch für eine stabile und sichere Umgebung zu sorgen sowie die individuelle Persönlichkeit des Kindes zu respektieren.

Empathische Eltern sind wichtig, damit Kinder lernen, selbst empathisch zu sein.
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  • “Was war heute das Beste an deinem Tag? Was das Schwierigste?”
  • “Was hast du heute erreicht, über das du dich gefreut hast?”
  • “Was hat heute jemand für dich Nettes getan? Was hast du Nettes für jemanden getan?”
  • “Was hast du heute gelernt – in der Schule oder außerhalb davon?”

Tipp #2: Empathie, Mitgefühl & Fürsorge vorleben

Als Empathie-Vorbild sollten wir natürlich nicht nur emphatisch gegenüber unseren Kindern sein, sondern auch im sonstigen Leben zeigen, wie wichtig Empathie und Mitgefühl sind. Zeigen sie also Mitgefühl für andere, auch für Menschen, die sich sehr von Ihnen unterscheiden. Mitgefühl meint damit nicht Mitleid, sondern Verständnis und Offenheit für die Gefühle, Situationen oder Ideen anderer.

Das fängt bei kleinen Dingen an, wie die Sorgen oder Schwierigkeiten anderer ernst zu nehmen, sich dafür zu interessieren, welche Herausforderungen unterschiedlichste Menschen meistern, oder anderen zu helfen. Vielleicht haben Sie sogar die Möglichkeit, sich (regelmäßig) für das Gemeinwohl zu engagieren, im Idealfall zusammen mit Ihrem Kind.

Tipp #3: Empathie und Fürsorge priorisieren

Natürlich wünschen sich alle Eltern, dass ihre Kinder glücklich sind. Allerdings: Damit Kinder Empathie und Mitgefühl lernen, müssen sie auch wissen, dass die Bedürfnisse anderer ebenso wichtig sind. Ein Anfang ist etwa, den häufig genutzten Satz “Das Wichtigste ist, dass du glücklich bist” in “Das Wichtigste ist, dass du freundlich zu anderen bist und dass du glücklich bist” zu ändern.

Die Welt dreht sich eben nicht nur um die eigene Person und die eigenen Interessen und Aktivitäten sollten auch mal hintenangestellt werden. Dazu gehört zum Beispiel im Haushalt zu helfen, auch wenn man lieber spielen möchte, freundlich zu sein, auch wenn die eigene Laune gerade nicht so gut ist oder auch nicht dazwischenzureden, wenn gerade jemand anderes spricht.

Auch in Gesprächen mit anderen Erwachsenen, denen das Kind beiwohnt, können Sie die Wichtigkeit von Empathie unterstreichen. Fragen Sie den Lehrer nicht nur nach den Noten Ihres Kindes, sondern auch, wie es sich für die Klassengemeinschaft einsetzt, den Trainer nicht nur nach Leistungen, sondern wie es sich ins Team einbringt, erzählen sie nicht nur von mathematischen oder künstlerischen Talenten Ihrer Kleinen, sondern auch von ihrer Empathiefähigkeit und ihrem Gemeinschaftssinn.

Tipp #4: Empathie lernen – Übung macht den Meister

Empathie zu lernen ist in gewisser Weise wie sich eine neue Sprache anzueignen. Die Anlagen dafür sind vorhanden, aber gewisse Aspekte muss man einfach immer wieder üben, Fehler machen, es erneut versuchen. Wie kann ich die Gefühle anderer besser verstehen, wie mich in andere hineinversetzen? Geben Sie Ihrem Kind also so oft wie möglich die Chance, emphatisches Verhalten zu trainieren und die Perspektiven von anderen zu übernehmen.

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Empathie muss gelernt werden
  • Halten Sie Familiensitzungen ab: Ob auf Grund eines Konflikts in der Familie oder einfach zu einem regelmäßigen Zeitpunkt – setzten Sie sich mit der Familie zusammen, lassen Sie jedem Raum, seine Perspektive zu erläutern. Nehmen Sie dabei die Perspektive Ihres Kindes ernst und bestärken Sie es, den Perspektiven der anderen ebenso intensiv zuzuhören.
  • Empathie für Gleichaltrige fördern: Es gibt Streit in der Klassengemeinschaft oder mit einem Freund? Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, ermutigen Sie es, die Perspektive aller Streitparteien einzubeziehen und zu überlegen, was der andere wohl über den Streit denkt und fühlt.
  • Empathie wahrnehmen und reflektieren: Ob in Situationen mit anderen, beim Lesen eines Buches oder beim Schauen eines Filmes – sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, wenn jemand Empathie zeigt, oder eben, wenn er sie gerade nicht zeigt.
  • Ethische Dilemmas diskutieren: Sprechen Sie mit Ihrem Kind darüber, wo es schwierig ist, empathisch zu sein. Soll ich einen Bekannten zu meinem Geburtstag einladen, den einer meiner besten Freunde nicht mag? Einer meiner Freunde hat hinter dem Rücken einer Freundin etwas nicht sehr Nettes gesagt, erzähle ich ihr das nun weiter?
  • Zusammenarbeit fördern: Es ist toll, etwas FÜR andere zu tun, aber noch schöner ist es, MIT anderen ein Problem zu lösen oder etwas für die Gemeinschaft zu stemmen. Wer sein Kind hier unterstützt, etwa an gemeinschaftlichen Projekten teilzunehmen, der stärkt die sozialen Kompetenzen seines Nachwuchses auf ganzer Linie.

Tipp #5: Gefühle erkennen, Selbstkontrolle entwickeln

Wenn Kinder keine Empathie zeigen, heißt das nicht, dass sie keine haben. Oft stehen ihnen aber eigene Gefühle im Weg – wie etwa Scham, Wut oder Angst. Wenn Kinder lernen, die eigenen Gefühle zu erkennen und zu kontrollieren, hilft dies sehr, emphatischer gegenüber anderen zu sein. Ein erster Schritt ist es, überhaupt zu üben, die Gefühle zu erkennen und ihnen einen Namen zu geben. Bestärken Sie Ihr Kind darin, über seine Gefühle zu sprechen und zu reflektieren: “Ich sehe, du bist wütend. Weißt du, warum?” Auch Konfliktsituationen lassen sich so besprechen und trainieren: Wer hat sich wie gefühlt und warum? Benennen Sie Gefühle, üben Sie aktives Zuhören und versuchen Sie so, gegenseitiges Verständnis zu erreichen.

Um die eigenen Gefühle besser zu kontrollieren, hilft außerdem eine einfache Übung: innehalten, tief durch die Nase ein- und durch den Mund ausatmen und langsam bis fünf zählen. Trainieren Sie diese Schritte zunächst immer wieder mit Ihren Kleinen, wenn sie ruhig sind – und erinnern Sie sie dann in Situationen daran, in denen die Gefühle die Kontrolle übernehmen wollen.

Auch wichtig: Kümmern Sie sich regelmäßig um das eigene Wohlbefinden, lesen Sie, gehen Sie spazieren, nehmen Sie sich, wo es geht, eine Auszeit. Das hilft zum einen natürlich Ihnen selbst, um gelassener und emphatischer mit anderen umzugehen, zum anderen lernt Ihr Kind an Ihrem Vorbild ebenfalls, wie wichtig der achtsame Umgang mit sich selbst ist.

Tipp #6: Den eigenen Horizont erweitern

Bei Empathie geht es nicht nur darum, wie viel oder wenig wir davon haben. Ein wichtiges Merkmal dafür, wie emphatisch jemand ist, ist auch, für wen er Empathie aufbringen kann. Für die Familie oder Freunde empfinden die meisten Personen Empathie und auch bei Menschen, die uns selbst ähnlich sind, fällt dies leicht. Aber: Kinder (und Erwachsene) sollten unbedingt lernen, ebenso den Menschen außerhalb dieses Kreises Empathie entgegenzubringen, auch Menschen, die vielleicht ganz anders als sie selbst sind, die sie nicht verstehen, die ihnen fremd erscheinen.

Nachrichten, TV-Sendungen oder auch Geschichten sind ein guter Ansatzpunkt, um einen Blick über den Tellerrand hinaus zu wagen: um über die Herausforderungen oder auch die Not anderer zu sprechen, die unterschiedlichen Erfahrungen von Kindern in der ganzen Welt zu diskutieren und dabei zu üben, ganz verschiedene Perspektiven einzunehmen.

Aber auch im näheren Umfeld können Kinder lernen, über den eigenen Empathie-Schatten zu springen. Bestärken Sie Ihr Kind, ganz genau zuzuhören, auch und ganz besonders denen, die sie vielleicht nicht zu ihrem engsten Freundeskreis zählen: etwa einem Mitschüler, der gerade durch eine schwere Zeit geht oder einem Kind, das als unbeliebt gilt und geärgert wird.

Mehr Empathie: Auf in eine bessere Zukunft!

Alle Eltern wünschen sich eine tolle Zukunft für ihre Kinder. Wer mit seinen Kindern (aber auch selbst) übt, empathischer zu sein, hat ihnen bereits immens wichtige Fähigkeiten für die Zukunft mitgegeben. Und ja, jetzt wird es etwas kitschig: Er trägt auch dazu bei, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

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Katharina Looks

Katharina Looks ist Brand Manager und Redakteurin bei scoyo. Ihr Herzensthema ist es, mehr Leichtigkeit in den Familien-Schul-Alltag zu bringen und Impulse für eine entspannte Lernatmosphäre zu setzen.