Gemeinsam auf Entdeckungsreise: 9 Tipps – Philosophieren mit Kindern
Katharina Looks
Philosophieren mit Kindern stärkt das Selbstbewusstsein und macht Spaß!
„Was ist Zeit?“ „Warum denken wir?“ Kinder wollen die Welt verstehen, hinterfragen Dinge, die für Eltern selbstverständlich sind. An diesem Wissensdurst, an Interessen und Wünschen setzt Philosophieren mit Kindern an – und stärkt sie in ihrer Persönlichkeit.
Ein Gastbeitrag von Kinderbuchautorin und Philosophin Fabien van der Ham.
Natürlich reden Sie viel mit Ihrem Kind. Das ist gut; Aufmerksamkeit und Interesse sind wichtig. Doch irgendwann kommen Sie vielleicht auch an einen Punkt, wo Sie sich folgende Fragen stellen: Wo finden wir immer wieder neue Gesprächsthemen? Was ist interessanter als schon wieder: “Wie war es in der Schule?”
Warum Philosophieren mit Kindern gut tut
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, gemeinsam zu philosophieren? Das klingt vielleicht zunächst etwas abgehoben, ist es aber gar nicht. Im Prinzip philosophieren wir nämlich ständig, besonders unsere Kinder. Sie sind von klein auf voller Fragen über das Leben. Philosophieren gehört zu ihrem Alltag und macht ihnen unglaublich viel Spaß. Und das ist auch gut so!
Durch gemeinsames Philosophieren lernen Sie als Eltern nicht nur, was Ihr Kind denkt, sondern auch wie Ihr Kind denkt. Weil Sie die Ideen und Gedanken Ihres Kindes aktiv hinterfragen, fühlt es sich wertvoll, es erfährt Ihr aufrichtiges Interesse. Außerdem gibt es auf philosophische Fragen zwar viele Antworten, aber kaum eine falsche, sodass Kinder frei denken können. So unterstützt Philosophieren die Kleinen dabei, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese zu überpüfen. Ihre Sprachkompetenz, Emphatiefähigkeit und eine selbstständige, kritisches und kreatives Denkweise werden gefördert.
Heute gebe ich Ihnen 9 Tipps, wie Sie mit Ihren Kindern philosophieren können:
Tipp 1: Fokus auf Denkfragen
Es gibt verschiedene Arten von Fragen: Wissensfragen, Forschungsfragen und Denkfragen (philosophische Fragen): Die Antwort auf Wissensfragen kann man suchen. Die Antwort auf eine Forschungsfrage findet man durch ein Experiment heraus.
Dagegen können Denkfragen nur beantwortet werden, indem man nachdenkt. Philosophische Fragen sind Denkfragen. Es gibt mehrere Antworten und die Fragen behandeln Themen die alle Menschen betreffen.
Tipp 2: Erkennen Sie die philosophischen Fragen und nutzen Sie Ihre Chance
Kinder stellen Hunderte von Fragen. Manchmal sind es Wissensfragen. “Was ist ein Kakadu?” “Wächst Rosenkohl am Baum?”
Sie sind relativ leicht und klar zu beantworten, indem man einfach in einem Buch oder im Internet nachschaut.
Aber oft stellen sie auch Denkfragen wie: “Hat das All ein Ende?” und “Sollte der Himmel voll sein, kommt man dann auf die Erde zurück?” Die beste Antwort und zugleich der leichteste Zugang zu einem philosophischen Gespräch lautet: “Was glaubst du selbst?”
Tipp 3: Stellen Sie selbst Fragen und lenken Sie das Gespräch zu einem philosophischen Gespräch
Es ist am schönsten, wenn ein philosophisches Gespräch spontan entsteht, weil ein Kind eine Frage stellt. Aber Sie können ein Gespräch auch in die gewünschte Richtung lenken, zum Beispiel indem Sie ein Buch oder Gedicht vorlesen.
Es gibt in fast jedem Buch ein Thema, worüber sich philosophieren lässt wie z. B. Freundschaft oder Freiheit. Auch können Sie die Nachrichten zu einem philosophischen Gespräch benutzen; “Sollten wir anderen Menschen helfen?” oder “Ist es schlimm, wenn Tiere aussterben?” Auch ein Museumsbesuch kann ein Ausgangspunkt sein. Vielleicht mag Ihr Kind ein bestimmtes Gemälde nicht. Fragen Sie es mal: “Muss Kunst schön sein?” Oder in einem Museum über frühere Zeiten: “Sind alte Sachen noch wertvoll?” “Was bedeutet die Geschichte für uns?” “Was können wir aus Omas Zeiten lernen?”
Im Wald kann man Kastanien sammeln, aber auch Fragen: “Wie viele Grashalme gibt es im Wald?” “Unzählbar.” “Was ist das denn, unzählbar?”
Tipp 4: Hinterfragen Sie die erste Antwort
Hat das Kind eine Antwort auf eine philosophische Frage gegeben, so ist das Gespräch noch nicht beendet. Im Gegenteil; bei der Antwort fängt es an. Wie kam das Kind zu seiner Antwort? Stellen Sie Vertiefungsfragen. Das sind Fragen wie:
- Stimmt das?
- Woher bist du da so sicher?
- Könnte es auch anders sein?
- Ist das immer so?
- Warum denn?
- Wie ist das so weit gekommen?
- Kannst du ein Beispiel nennen?
- Kann das Gegenteil wahr sein?
- Gibt es dafür eine Regel?
Tipp 5: Seien Sie aufrichtig an den Antworten Ihrer Kinder interessiert
Wichtig bei den Vertiefungsfragen ist, dass eine von Ihnen gewünschte Antwort nicht heimlich in den Fragen versteckt ist. Eine gute Frage lenkt nicht, aber ist offen, frei und zeigt, dass Sie aufrichtig interessiert sind. Sie fragt nach den Gedanken und Ideen, die es hinter der ersten Antwort gibt.
Tipp 6: Suchen Sie das, was die Kleinen sehr wohl wissen
Kinder machen es sich manchmal leicht und geben eine Antwort wie “weiß nicht” oder “Das ist nun mal so.” Fragen Sie nun weiter und versuchen Sie es mit einer etwas anderen Frage. Suchen Sie das heraus, was die Kleinen sehr wohl wissen und fragen Sie von dort aus weiter. Sie sprechen z. B. von “unzählbar” und fragen “Was kann man nicht zählen?” Die Antwort lautet “weiß nicht.” Sie könnten jetzt fragen “Was kann man sehr wohl zählen?” Und von dort suchen Sie gemeinsam nach dem, was man nicht zählen kann.
Tipp 7: Verschweigen Sie die eigene Meinung
In einem philosophischen Gespräch stellen nur Sie Fragen und erzählen nicht, wie es Ihrer Meinung nach ist. Denn sobald Sie das machen, wird das Kind aufhören, selbst zu denken. Kinder sind ja daran gewöhnt, dass Erwachsene die Antwort wissen. Lassen Sie Ihr Kind selbst über die rätselhaften Fragen, die ihm gestellt werden, nachdenken.
Tipp 8: Seien Sie unwissend
Eine unwissende Haltung ist am besten. Denken Sie an Sokrates, der sagte: “Ich weiß, dass ich nichts weiß.” Von so einer sokratischen Haltung hat Ihr Kind am meisten, denn Kinder lieben es, Erwachsenen zu erklären wie die Welt ihrer Meinung nach funktioniert.
Tipp 9: Seien Sie der Denkfreund Ihres Kindes
Staunen Sie wieder über die Welt, als ob Sie ein Kind wären und seien Sie für die Fragen aufgeschlossen. Vergessen Sie all Ihre (vermeintlichen) Kenntnisse und seien Sie genauso neugierig wie Ihr Kind selbst. Dann sind Sie kein Erzieher, sondern der Denkfreund Ihres Kindes.
So werden Sie neue Seiten an Ihrem Kind entdecken. Der wichtigste Tipp ist darum vielleicht: Genießen Sie! Genießen Sie diese gemeinsame, vertiefende Zeit mit Ihrem Kind und genießen Sie seine überraschenden, schlauen, bemerkenswerten, inspirierenden Antworten.
Extra Tipp:
Sollten Sie es schwierig finden, sich philosophische Fragen auszudenken, lassen Sie sich dann vom Spiel “Gedankenblitze” helfen. Das Spiel enthält 50 philosophische Fragen für Kinder. Mehr Informationen finden Sie auf www.gedanken-blitze.de. Auf dieser Webseite gibt es auch 30 Karten mit Vertiefungsfragen, die Sie umsonst herunterladen können und die Sie beim Philosophieren benutzen können. Auch der Minikurs “Philosophieren mit Kindern” ist kostenlos.
Über die Autorin:
Fabien van der Ham ist eine niederländische Kinderbuchautorin und Kinderphilosophin. Sie gibt bereits jahrelang Gastunterricht an niederländischen Grundschulen. Auch gibt sie Workshops und Unterricht über Lyrik, kreatives Schreiben und Kinderphilosophie.
Sie entwickelte verschiedene Unterrichtsmaterialien zum Philosophieren mit Kindern, damit Lehrer/Innen und Eltern auch selbst mit den Kindern ein philosophisches Gespräch führen können.
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