Soziale Netzwerke: Kinder im Web 2.0
Katharina Looks
Durch Smartphones gehören soziale Netzwerke mittlerweile zum Alltag dazu
Wir sprachen mit Medienwissenschaftler, Autor und Lehrer Philippe Wampfler über die Generation der “Digital Natives” und darüber, was er Eltern rät, wenn sich Kinder in sozialen Netzwerken aufhalten (wollen).
Soziale Netzwerke & Kinder:
Praktische Tipps von Philippe Wampfler
Lehrer & Autor Lehrer und Medienwissenschaftler Philippe Wampfler beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit den Gefahren und Möglichkeiten von sozialen Netzwerken für Kinder und Jugendliche. In seinem neuen Buch “Generation Social Media – Wie digitale Kommunikation Leben, Beziehungen und Lernen Jugendlicher verändert“, das wir am Ende dieses Artikels auch verlosen, empfiehlt er Eltern, die Mediennutzung ihrer Kinder möglichst vorurteilsfrei zu beobachten, sich ein eigenes Bild zu machen und Schüler auf dem Weg hin zu einem aktiven, kompetenten und bewussten Umgang mit Medien zu begleiten.
Das wollten wir genauer wissen und haben ihn nach seinen besten Tipps für Eltern rund ums Thema Medienerziehung 2.0 befragt:
Gefahren von sozialen Netzwerken für Kinder
scoyo: Viele Eltern beobachten es eher skeptisch, wenn ihre Kinder anfangen, in sozialen Netzwerken aktiv zu werden. Sie haben in den Medien unter anderem von Mobbingattacken und Datenlecks gelesen und fragen sich, welche Bekanntschaften ihre Söhne und Töchter dort machen. Sind diese Sorgen berechtigt?
Philippe Wampfler: Im Netz gibt es eine Reihe von Gefahren, die gerade Kindern nicht bewusst sind. Sich vorzustellen, dass sich hinter einem süßen Profil eine bösartige Person verbirgt, erfordert Kompetenzen, die erst in späteren Entwicklungsphasen erworben werden. Gleichzeitig besteht der Reiz sozialer Netzwerke zu Beginn nicht darin, mit Fremden Kontakt aufzunehmen, sondern mit Freundinnen und Freunden zu chatten oder Bilder auszutauschen. Spricht man mit Kindern über mögliche Gefahren und begleitet man sie auf den ersten Schritten, dann sind soziale Netzwerke nicht per se problematisch, sondern nur, wenn sie falsch benutzt werden.
Ab welchem Alter sind soziale Netzwerke für Kinder angemessen?
scoyo: Laut Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist der Nachrichtendienst WhatsApp erst ab 16 Jahren frei, um einen eigenen YouTube Account zu haben, muss man offiziell sogar 18 Jahre alt sein, Facebook verlangt ein Mindestalter von 13 Jahren. Viele Kinder nutzen aber Social Media sogar schon unter zwölf Jahren. Sollten die Eltern das verbieten?
Philippe Wampfler: Die Betreiber dieser Plattformen wollen sich mit diesen Angaben gegen allfällige Klagen absichern. Die Geschäftsbedingungen sind keine Gesetze, deren Verletzung eine Strafe nach sich zieht. Allerdings ist es in vielen Fällen klug, solche Angaben als Empfehlungen zu betrachten. Das Mindestalter von Facebook, 13 Jahre, halte ich generell für eine gute Grenze für Social Media. Vorher halte ich es für möglich, Kindern zu erlauben, mit bekannten Personen eine halbe Stunde zu chatten. Auch das Betreiben eines YouTube-Kanals kann durchaus sinnvoll sein, zum Beispiel, wenn Kinder ein bestimmtes Hobby pflegen, das auf YouTube eine Plattform bekommen soll. Allerdings ist es für Eltern Pflicht, Kinder dabei nicht allein zu lassen und ihre pädagogische Verantwortung zu übernehmen – also die Videos zu sichten, bevor sie veröffentlicht werden.
Wie können Eltern ihre Kinder in sozialen Netzwerken begleiten?
scoyo: Würden Sie Eltern raten, sich eigene Profile anzulegen und ihren Kindern in den sozialen Netzwerken zu folgen?
Philippe Wampfler: Ich vergleiche das Netz oft mit der Straße: Kinder müssen lernen, den Weg zur Schule selbst zu bewältigen. Eltern begleiten sie im Kindergarten, später nicht mehr. Analog halte ich es für sinnvoll, die ersten Erfahrungen in sozialen Netzwerken mit Kindern zusammen zu sammeln: Also das Profil gemeinsam anzulegen, Kontakte anzufragen und erste Nachrichten zu schreiben. Das Ziel müsste aber die Selbständigkeit sein. Von Überwachung halte ich als pädagogisches Prinzip wenig. Wer Kindern nicht vertraut, müsste konsequenter sein und die Nutzung untersagen. Vertrauen lohnt sich aber deshalb, weil es zur Bereitschaft führt, auch über Probleme zu sprechen, die man antrifft. Gerade bei Cyber-Mobbing schämen sich Opfer stark, weil sie befürchten, dass ihre Eltern ihnen Vorwürfe machen. So verschlimmern sie das Problem, das in einer frühen Phase besser lösbar wäre.
Social-Media-Nutzung auf Kosten von realen Kontakten?
scoyo: Immer wieder werden Social Media für eine neue Oberflächlichkeit verantwortlich gemacht. Kinder und Jugendliche seien heute nicht mehr in der Lage, intensive Freundschaften aufzubauen, weil sie Beziehungen vorrangig in sozialen Netzwerken lebten. Was halten Sie von dieser Einschätzung?
Philippe Wampfler: Für Kinder und Jugendliche sind Freundschaften absolut zentral, das zeigt jede Befragung. Social Media ersetzen dabei Briefpost und Telefon, mehr nicht. Die Netzwerke sind deshalb so attraktiv, weil sie Beziehungen ermöglichen – nicht umgekehrt.
Informationsflut und Handysucht: Wie können Eltern ihre Kinder schützen?
scoyo: Für viele Heranwachsende beginnt und endet der Tag vor dem Schlafengehen mit dem Blick auf das Smartphone – oftmals verbunden mit der Angst, etwas zu verpassen. Kann ein Verbot helfen, die Kinder und Jugendlichen von diesem Druck zu befreien, oder gibt es andere Wege?
Philippe Wampfler: Ja. Verbote können Jugendliche entlasten, weil sie selbst oft nicht stark genug sind, sich sozialem Druck zu widersetzen. Klare Regeln sind in Familien sinnvoll. Die einfachsten: Smartphone-freie Zeiten, z. B. während des Essens und im Urlaub, sowie keine Smartphones oder Tablets im Schlafzimmer. Das führt automatisch zu einer gesteigerten Schlafqualität.
scoyo-Tipp: Manchmal ist die Begeisterung über das erste Smartphone so groß, dass mündlich vereinbarte Vorsätze schnell mal über Bord geworfen werden. Um das zu verhindern, überreichen Sie Ihrem Kind mit dem Smartphone am besten gleich einen Eltern-Kind-Vertrag.
Ja richtig, Sie haben sich nicht verhört. Denn: Ein von Kind und Eltern unterschriebenes Dokument fördert das Gespräch über die Risiken und verleiht dem Ganzen mehr Nachdruck.
Digitale Medien & die Auswirkungen auf das Gehirn
scoyo: Sie beschreiben, dass sich unser Gehirn verändert, wenn wir digitale Medien nutzen. Liegt darin eine Gefahr für Heranwachsende?
Philippe Wampfler: Das kann man heute noch zu wenig präzise sagen. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass sich das Hirn an neue mediale Praktiken anpasst. Ein Beispiel ist Multitasking: Wer oft mehrere Dinge gleichzeitig tut, z. B. am Smartphone, kann störende Reize weniger gut ausblenden. Das Hirn verlernt, sich im herkömmlichen Sinne zu konzentrieren. Diese Einbuße wird aber gewissermaßen kompensiert, indem die Wahrnehmung mehrerer Reize sich verbessert.
Konkrete Tipps für Eltern: Sinnvoll?
scoyo: Der Markt an Ratgebern zur Medienerziehung wächst beständig. Im Netz gibt es unzählige Angebote, die Eltern Orientierung versprechen. Sie halten sich in Ihrem Buch mit Vorgaben für Eltern eher zurück – ist das ein Plädoyer fürs Bauchgefühl?
Philippe Wampfler: Eher für ein situatives Reagieren. Medienpädagogische Rezepte sind nur dann sinnvoll, wenn sie zu den Eltern und Kindern passen. Eltern müssen sich informieren und mit ihren Kindern über Medien sprechen – täglich, am besten. Sie sollen Lösungen für die Probleme suchen, die tatsächlich auftauchen. Das sind immer wieder unterschiedliche.
Medienfreie Zeiten – Wie soll das gehen?
scoyo: Empfehlungen geben Sie den Eltern auch mit auf den Weg: Zuhause wie in der Schule sollte es „digitale Schonräume“ geben, in der etwa Smartphones nichts zu suchen haben. Wie kann man seine Kinder überzeugen, dass es sinnvoll und bereichernd ist, regelmäßig „digitale Pausen“ einzulegen?
Philippe Wampfler: Indem man das als gemeinsames Projekt ausgibt und diese Pausen entsprechend mit Aktivitäten füllt, die als sinnstiftend erlebt werden. Letztlich dienen sie dazu, die Wahrnehmung zu schärfen. Das ist ein ganz allgemeiner Präventionsgedanke: Wer seinen Körper, seine Atmung und seine Gefühle genau spürt, kann positive und negative Einflüsse gut unterscheiden. Medien führen zur Versuchung, uns permanent abzulenken. Das machen Pausen bewusst.
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Gewinnspiel: 3 Ratgeber von Philippe Wampfler zu gewinnen
Neues Buch von Philippe Wampfler Jetzt mitmachen: Unter allen Interessierten verlosen wir mit Unterstützung des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht insgesamt drei Exemplare des Buches ‘Generation Social Media – Wie digitale Kommunikation Leben, Beziehungen und Lernen Jugendlicher verändert’ von Philippe Wampfler.
Schreiben Sie uns einfach hier in den Kommentaren, was Sie im Hinblick auf das Thema Social Media & Kinder am meisten beschäftigt.
Einsendeschluss ist der 2. November 2014. Der Gewinner wird im Anschluss ausgelost und benachrichtigt.
Es gelten unsere Allgemeinen Teilnahmebedingungen. (Auch wenn wir das Gewinnspiel über Facebook ankündigen, hat die Plattform selbst nichts mit der Aktion zu tun und steht nicht als Ansprechpartner zur Verfügung.)
Über Philippe Wampfler
Philippe Wampfler arbeitet als Lehrer für Deutsch, Philosophie und Medienkunde in der Schweiz. In seinen Veröffentlichungen und in seinem Blog beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema Social Media und geht dabei auch auf den Einsatz der Neuen Medien im Unterricht ein.
Sein aktuelles Buch: „Generation Social Media – Wie digitale Kommunikation Leben, Beziehungen und Lernen Jugendlicher verändert“ ist in diesem Jahr bei Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) erschienen. Einen ersten Einblick in das Buch ermöglicht die Leseprobe. In seinem Buch weist er auch auf potenzielle Gefahren im Umgang mit digitalen Medien hin und gibt Eltern viele praktische Tipps an die Hand. Hier gibt´s z. B. die “Smartphone-Etikette” kostenlos als PDF.
scoyo-Elternabend: Auch Social Media war Thema
Philippe Wampfler ist einer der Experten, die bei unserem ersten scoyo-Elternabend zum Thema “Medienkompetenz von Eltern und Kindern” diskutiert haben. Hier ging es auch um das Thema soziale Netzwerke (Minute 07:10):
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