Serie: Mathe, das brauch ich! Traumberuf Tierarzt
Katharina Looks
Wofür braucht man eigentlich Mathe? Tierärztin Carolin Pflips erklärt, was sie unter Kälbern und Hunden alles ausrechnen muss und warum man ohne Mathe-Wissen kein Tierarzt werden kann.
Wenn Carolin Pflips einem Kalb auf die Welt hilft oder einen Hund impft, dann ist sie heilfroh, dass sie so gut rechnen kann. Die 28-Jährige ist Tierärztin in Bayern. Sie versorgt hauptsächlich Großtiere auf Bauernhöfen. Ihr Dienstwagen ist eine fahrende Apotheke. Gut, dass Carolin genau weiß, welches Tier wie viele Medikamente verträgt. Denn das ist eine typische Rechenaufgabe für Tierärzte!
scoyo: Wie wird man eigentlich Tierärztin?
Carolin: Als Erstes brauchst du das Abitur und einen guten Notendurchschnitt. Jedes Bundesland gibt vor, welchen “Numerus Clausus”, also Notenschnitt, du haben musst, damit du studieren darfst. Es gibt nur fünf Unis in Deutschland, an denen Tierärzte ausgebildet werden. Pro Jahr gibt es etwa 1000 bis 1200 Studienplätze in Tiermedizin. Das bedeutet, dass nur die mit den besten Noten einen Platz bekommen. Soweit ich weiß, liegt der Notenschnitt bei 2,1 bis zu 1,4. Ich habe in Hannover studiert und arbeite jetzt im Allgäu als angestellte Tierärztin. Unsere Praxis ist eine “Tierärztliche Gemeinschaftspraxis”. Wir versorgen Groß- und Kleintiere. Ich bin spezialisiert auf Großtiere, meine Patienten sind also oft Rinder, Pferde und Schweine.
scoyo: Würdest du nicht lieber kuschelige Kätzchen und süße Hunde verarzten?
Carolin: Nein! Rinder sind meine Lieblingstiere und die gibt es hier auf den Bauernhöfen in Bayern auch am häufigsten. Außerdem findet man als Großtierarzt leichter eine Stelle. Ich bekam schon im Studium viele Praktika angeboten. Und als Großtierarzt verdient man später mehr, etwa 2500,- bis 3000,- Euro netto als angestellter Tierarzt mit viel Erfahrung. Mein Opa hatte auch einen Milchkuhbetrieb, daher kenne ich die Arbeit mit Rindern schon seit meiner Kindheit. Früher hatte ich selbst eine Katze und einen Hund. Heute habe ich gar keine Zeit für ein eigenes Haustier, denn ich bin immer abrufbar für meine tierischen Patienten. Es gibt oft Notfälle, da muss ich dann sofort hinfahren. Außerdem sind auch Katzen und Hunde beim Tierarzt oft nicht besonders kuschelig. Schließlich werden sie von der Person in Weiß beim Impfen mit der Nadel gepikst oder müssen eine Untersuchung über sich ergehen lassen. Als Tierarzt ist man nicht unbedingt der beste Freund von Hund und Katze.
scoyo: Und was hat das alles mit Mathe zu tun?
Carolin: Wer nicht rechnen kann, kann kein Tierarzt werden. Wir müssen die Dosierung für Medikamente ausrechnen. Oder wenn wir operieren, die Narkosemittel bestimmen. In der Spritze, die das Tier sediert, also betäubt, muss genau das richtige Mischungsverhältnis von Medikamenten sein, sonst wird der Herzschlag immer schwächer, die Atmung verlangsamt sich und die Kuh wacht vielleicht nie wieder auf. Oder sie ist nicht voll betäubt und hat während der OP Schmerzen. Als Tierarzt hat man eine große Verantwortung für seine Tiere! Bei der Narkose rechnet der Tierarzt 0,003 Milligramm Betäubungsmittel pro Kilogramm Körpergewicht des Tieres. Das kann man mit dem Taschenrechner ausrechnen, aber wenn es ein Notfall ist, beispielsweise, wenn ein Tier vom Auto angefahren wurde, sollte man das unter Stress auch im Kopf können.
Ein anderes Beispiel: Bei trächtigen Kühen muss ich ausrechnen, wie groß das Kalb in der Gebärmutter ist und ob das Wachstum zur Schwangerschaftswoche passt. Ein Kalb-Embryo sollte beispielsweise 53 Tage nach der Deckung drei Zentimeter groß sein. Das fühle ich, sehen kann man das noch nicht. Oder wenn ich ein Tier röntgen möchte, muss ich sein Gewicht schätzen. Hunde und Katzen kann man mal schnell auf die Waage stellen, aber bei Rindern geht das nicht so einfach. Da ist auch ein gewisses Zahlengefühl nötig. Aber auch im Tiermedizinstudium braucht man viel Mathe, denn in der theoretischen Ausbildung gibt’s viel Statistik. Man macht zum Beispiel Tierversuche (die den Tieren aber nicht wehtun) und dafür braucht man unbedingt Mathe, um alles richtig zu machen.
scoyo: Wie wichtig sind die Noten?
Carolin: Der Notenschnitt entscheidet, ob du einen Studienplatz bekommst. Daher ist das schon wichtig. Wenn du gut in Mathe, Bio, Chemie und Physik bist, ist das Studium einfacher, denn dieses Fachwissen brauchst du als Tiermediziner. Ehrlich gesagt ist das Studium schon ganz schön hart, man muss viel büffeln, um später ein guter Tierarzt zu sein. Ich habe elf Semester, also fünfeinhalb Jahre studiert. Aber dafür hat man dann auch den Luxus, einen Beruf auszuüben, den man liebt.
Ich würde mich jederzeit wieder dafür entscheiden, denn ich bin viel draußen und habe einen verantwortungsvollen Job, bei dem ich selbstständig arbeiten kann und vor Ort oft ganz allein entscheide. Allerdings braucht man als Tierärztin auch viel Leidenschaft: Der Job ist zeitaufwendig und oft wird man mitten in der Nacht rausgeklingelt, um einem Pferd zu helfen, dass eine Kolik hat, eine Kälbergeburt zu begleiten oder einen Hund zu retten, der Rattengift gefressen hat.
scoyo: Dein Rat, für Schüler, die Mathe hassen …
Carolin: Man braucht Mathe leider sein ganzes Leben lang. Um Rechnungen zu prüfen, bevor man sie bezahlt, seine Papiere in Ordnung zu halten oder auch um die eigene Wohnung energiesparend und passend einzurichten. Mathe war auch nie mein Lieblingsfach, aber man braucht es im Leben tausendfach. Vielleicht ist nicht immer jede Kurvendiskussion überlebenswichtig, aber durch gewisse Sachen muss man in der Ausbildung einfach durch, um zu zeigen, dass man Biss hat.
Übrigens: Latein muss man heute als Tiermedizinstudent nicht mehr von Anfang an können, es gibt Terminologie-Kurse in Latein und Griechisch an der Uni, in denen du die nötigen Begriffe lernst. Versuch am besten, dich in die wichtigen Dinge einzuarbeiten, die dir dein Leben lang nützen. So hab ich’s auch gemacht und jetzt habe ich einen tollen Job, über de ich mich jeden Tag freue. Man muss wissen, wofür man paukt, und Durchhaltevermögen haben. Dann klappt es.
scoyo: Vielen Dank für das Interview, Carolin!
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