Wie helfe ich meinem Kind beim Lernen? Die 9 besten Tipps der scoyo-ExpertInnen
Katharina Looks
Wie kann ich meinem Kind beim Lernen helfen? Experten antworten
Der Nachhilfe-Boom zeigt: Eltern werden nervös, wenn es um den Schulerfolg ihrer Kinder geht. Experten diskutierten darüber, wie Eltern dem Förderwahn entkommen und ihren Kindern sinnvoll beim Lernen helfen.
Grundsätzlich gehört Lernförderung in die Schule. Darüber waren sich die ExpertInnen beim 2. scoyo-Elternabend zum Thema „Nachhilfe und Förderwahn“ einig. Doch das derzeitige Schulsystem sei mit dieser Aufgabe überfordert: Kinder würden nicht optimal gefördert, Reformen seien dringend notwendig. Das macht Eltern nervös. Sie fangen an, sich und ihre Kinder mit anderen zu vergleichen, versuchen sich selbst als Lehrer, helfen beim Lernen, wo es nur geht, und greifen am Ende immer öfter zur Nachhilfe. In Deutschland bekommen mittlerweile ca. 1,1 Millionen Kinder Nachhilfe – immer mehr davon schon in der Grundschule.
Wir haben die Experten Klaus Wenzel (Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes), Béa Beste (Bildungsunternehmerin), Nicole Tschirner (Bloggerin) und Christian Füller (Journalist) gefragt, wie Eltern ihre Kinder zuhause sinnvoll beim Lernen unterstützen können – und was sie besser lassen sollten. Die besten Tipps haben wir hier in Kurzform für Sie zusammengestellt:
Wie helfe ich meinen Kindern beim Lernen?
Tipps vom Elternabend auf einen Blick:
1. Nicht versuchen, zuhause eine „Lernbeziehung“ aufzubauen, sondern als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, Rückhalt geben, für den Lernweg loben, den Rücken stärken – so helfen Eltern am besten.
2. Keinen Druck ausüben, auch nicht bei schlechten Noten. Besser gemeinsam überlegen, wo die (punktuellen) Defizite liegen und ggf. Hilfe fürs Lernen von außen holen. Dabei betonen, dass so etwas vorkommen kann und nicht schlimm ist: „Es gibt immer eine Lösung.“
3. Den Lernbegriff zuhause möglichst vermeiden bzw. positiv aufladen: viel spielen, entdecken und erleben – schlichtweg Zeit für den Nachwuchs nehmen.
4. Mit anderen Eltern sprechen, sich zusammentun – sowohl in punkto Lerngemeinschaften als auch im Hinblick auf das Einfordern von neuen Lösungen im System Schule.
5. Bevor Ihr Kind eingeschult wird oder auf eine weiterführende Schule wechselt, sollten Sie die infrage kommenden Einrichtungen genau unter die Lupe nehmen: Hat die Schule Angebote, die individuell auf das Kind eingehen (Förder- bzw. Forderkurse)? Wie engagiert und verbindlich wirken die Lehrer? So können Sie darauf achten, ob in der Schule selbst ausreichend gefördert wird und verringern damit die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihrem Kind jeden Tag beim Lernen helfen müssen.
Nutzen Sie hierfür unsere Checkliste zur Schulwahl.
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Ausführliche Tipps von den Experten: fördern ja, aber ohne Wahn
(Auszüge aus dem scoyo-Elternabend vom 24. November)
Wie helfe ich meinem Kind am besten beim Lernen?
1. Stress vermeiden
Béa Beste: Es gibt eine Fülle von Tricks. Das Grundproblem ist jedoch, dass man nicht locker genug ist, der Stress fängt an und man hat tausend andere Dinge im Kopf. Dann ist alles ein Knäuel von Stress, das man im Haus hat. Und dann muss man schauen, wie man dieses Knäuel wieder auseinanderbekommt: mit Humor, mit Gelassenheit und mit:
2. Zeit für die Familie – das Lernen kommt nebenbei
Daniel Bialecki: Wirtschaft und Politik fordern immer mehr, dass Eltern möglichst beide arbeiten, so früh wie möglich, so lang wie möglich. Haben Eltern überhaupt die Zeit, ihren Kindern intensiv beim Lernen zu helfen?
Béa Beste: Zeit hat man nicht, Zeit nimmt man sich. Bei Zeit ist die Frage auch nicht, wie viel, sondern, wie gut. Ich habe immer gearbeitet und immer geguckt, dass die Zeit, die ich mit meinen Kindern verbringe, gut, entspannt und voller Humor ist. Und auch das hat wieder mit dem Knäulchen Stress zu tun. Man muss sich einfach fragen: „Muss ich wirklich viel machen, ihnen immer beim Lernen helfen, oder reicht es, das zu finden, was uns Spaß macht?“ Man kann die Kinder auch oft sehr gut in Haushaltstätigkeiten einspannen (z. B. beim Kochen). Es bedarf eines Quantums an Kreativität, diese Zeiträume zu finden, sie auszunutzen, und zwar mit Heiterkeit, so dass möglichst kein Stress aufkommt.
Daniel Bialecki: Aber ist es nicht auch die Aufgabe von Lehrern und Schülern, eine (Lern-)Beziehung zu gestalten?
Klaus Wenzel: Ja, und zwar überwiegend. Das Thema Lernbeziehung gehört nicht in den familiären Bereich. Hier müssen es viel eher menschliche, emotionale Beziehungen sein. Denn Lernen ist so negativ besetzt, dass ich mit meinen fünf Enkelkindern auf keinen Fall eine Lernbeziehung möchte. Ich will vor allem Zeit haben, wenn der kleine Lorenz kommt und möchte, dass ich ihm ein Buch vorlese. Dabei lernt er natürlich auch etwas, aber das Entscheidende ist die Beziehung und dass die Kinder wissen: Da ist ein Erwachsener, und der hat alle Zeit der Welt für mich. Imitationslernen spielt hier eine sehr große Rolle: Wenn Mama gut kocht, denn machen die Kinder das nach, und irgendwann beherrschen sie das.
3. Zuhause möglichst nicht von „Lernen“ sprechen, Kinder immer ernst nehmen
Klaus Wenzel: Mein Appell: den Lernbegriff zuhause nicht verwenden! Er klingt nach Leistung, nach Stress, nach Überforderung. Was Kinder brauchen, ist, ernst genommen zu werden. Das muss nicht nur mit Spaß und Humor passieren, sondern so, dass Kinder merken, man hat Interesse, traut ihnen etwas zu und freut sich mit ihnen. Doch viele Eltern sind genau damit überfordert. Viele wissen nicht mehr, was elementar wichtig ist für Kinder, z. B. mit ihnen reden, etwas vorlesen … Da sieht man, dass es an Grundkompetenzen fehlt. Da weiß ich jedoch keine Lösung. Wir können ja Menschen nicht zwingen, erst einen Elternführerschein zu machen, bevor sie ein Kind zeugen.
4. Erst für gute Stimmung sorgen, dann das (Lern-)Problem lösen
Béa Beste: Ich würde den Eltern empfehlen, nicht nur gelassen, sondern auch heiter zu bleiben und sich selbst und dem Kind in einem schwierigen Moment etwas Gutes zu tun. Und erst danach, aus einer guten Stimmung heraus, an einer Lösung zu arbeiten. Das Wichtigste ist, dem Kind zu signalisieren: Du und ich, wir sind so. Wir gehören zusammen, wir gehen jetzt dadurch, und ich helfe dir beim Lernen. Ich glaube, dass die Stimmung eine ganz, ganz wichtige Rolle dabei spielt.
5. Recht auf Lernförderung und -hilfe in der Schule einfordern
Klaus Wenzel: Im öffentlich-politischen Raum empfehle ich den Eltern, dass sie sich unbedingt solidarisieren, Eltern haben so viel Macht und sie nutzen sie nicht. Eltern sind diejenigen, die keinen Dienstweg einhalten müssen. Eltern sind diejenigen, die Leserbriefe schreiben können, die Journalisten einbeziehen können. Deswegen meine ganz große Bitte: Empört euch, liebe Eltern, und solidarisiert euch, denn es geht hier um nichts weniger als unsere Kinder, und dafür muss man auch aufstehen. Gerade als Eltern.
Und wie helfe ich meinem Kind bei schlechten Noten am besten?
6. Ruhe bewahren, (externe) Hilfe suchen, loslassen
Daniel Bialecki: Frau Tschirner, Sie haben sich einmal selbst als „Helikopter-Mama“ bezeichnet. Jetzt machen Sie alles anders. Warum?
Nicole Tschirner: Die ersten vier Jahre habe ich mich jeden Tag mit meiner Tochter hingesetzt und mit ihr zusammen Hausaufgaben gemacht. Es war gut, sie ein Stück auf dem Weg zu begleiten, aber ich habe den Punkt des Loslassens verpasst. Dann wechselte sie aufs Gymnasium und der Leistungseinbruch kam. Ich bin in Panik geraten, weil ich dachte, dass mein Kind dem Druck nicht standhalten kann. Ich habe sie dann zu einer Lernstandserhebung geschickt, die von einem Verein durchgeführt wurde. Ihr konkretes Defizit im Fach Mathe wurde dadurch aufgezeigt. So kann man die Kinder gezielt fördern und ihnen helfen und muss nicht den ganzen Bereich Grundschule noch einmal aufrollen.
Mich hat das wahnsinnig beruhigt, der Mitarbeiter hat mir gesagt, dass es ganz normal ist, dass die Kinder notentechnisch im ersten halben Jahr wegbrechen. Nach kurzer Zeit hat sich das dann auch von allein gegeben. Ich habe gelernt, einfach loszulassen. Es war ein Prozess, den ich durchlaufen musste, mein Kind einfach zu stützen. Denn: Fast alle Kinder haben Probleme mit dem Selbstbewusstsein, sie vergleichen sich viel mit anderen. Und wenn ich dann zuhause noch zusätzlich Druck mache, ist das Gift für jedes Kind.
7. Noten nicht als zu wichtig ansehen, sondern gelassen bleiben
Daniel Bialecki: Jetzt kommt meine Tochter aber das zweite Mal mit einer 4 in Deutsch nach Hause und hat keine Motivation, etwas für dieses Fach zu tun. Was mache ich jetzt?
Klaus Wenzel:
1. Die Note ist zunächst einmal überhaupt nicht wichtig. Wir wissen alle, dass Noten ziemlich willkürlich und überhaupt nicht objektiv sind. Mein Appell an die Eltern: Gehen Sie gelassen mit Noten um. Noten sind relativ aussageschwach.
2. Wenn ein Kind wegen Noten keine Lust mehr hat, dann ist vorher schon irgendetwas passiert, dann haben wir als Eltern wohl schon zu viel Druck ausgeübt: „Schau, dass es wenigstens eine 3 oder besser noch eine 2 wird.“ Und plötzlich hat das Kind das Gefühl, dass Noten sehr wichtig sind. Ich wünsche mir, dass bei Kindern schon eine gewisse Gelassenheit auftritt. Und das gelingt, wenn wir als Eltern schon früh unseren Kindern sagen: „Du bist mir lieb, du bist mir wertvoll, ich bin froh, dass es dich gibt. Und ob hier jetzt eine krumme oder eckige Ziffer steht, ist relativ egal.“ Mein Appell an die Eltern: Liebe Eltern, geht gelassen um mit diesen 6 Ziffern! Es gibt kaum was Primitiveres als die Vorstellung, Kinder mit einem halben Duzend Ziffern zu klassifizieren.
8. Für Mühe und Zwischenschritte loben
Nicole Tschirner: Aber genau das ist schwierig, wenn das Kind einen Leistungsabfall hat. Da wird man als Eltern nervös. Ich denke, wenn das Kind im Dreier-/Vierer-Bereich steht, kann man eher noch etwas abfangen als im Fünfer- und Sechser-Bereich. Dann sind die Defizite zu groß, und es wird schwierig, das wieder aufzuholen. Es ist also berechtigt, wenn Eltern nervös werden. Trotzdem müssen wir unseren Kindern das Gefühl geben, dass sie wertvoll sind und wir sie annehmen, unabhängig von der Leistung. Wir müssen unsere Kinder beim Lernen begleiten, sie loben und dürfen das nicht von der Note abhängig machen. Immer sagen: „Du machst das spitze!“, nicht erst auf das Ergebnis warten und dann loben. Der begleitende Prozess ist sehr wichtig.
Christian Füller: Ich gebe allen Recht, dass Noten nicht völlig aussagekräftig sind und auch die Freude am Lernen zerstören können. Aber man muss schon realistisch bleiben, jeder in Berlin weiß, dass in der 3. Klasse auf den Elternabenden darüber abgestimmt wird, ob es Noten geben soll oder nicht. Das sind Schlachten. Wir müssen viel Aufklärungsarbeit leisten und die Schulen müssen viel verändern, bis die Noten keine so große Rolle mehr spielen.
9. Gemeinsam in guter Atmosphäre lernen, Vertrauen aufbauen
Béa Beste: Wenn ich es als Eltern nicht draufhabe, bei meinem Kind einzuschätzen, wo seine Stärken und Schwächen liegen, habe ich es schwer, gelassen zu bleiben, wenn schlechte Noten kommen. Mein Appell an die Eltern besonders mit kleineren Kindern ist, eine (Lern-)Beziehung mit dem Kind aufzubauen, die auf Interesse, auf Neugier, auf gemeinsamem Lernen basiert. Und sich auch zu sagen: Ich als großer Mensch lerne auch dazu, von dir. Wenn ich weiß, wie mein Kind in bestimmten Situationen reagiert, und wenn ich weiß, wie es bestimmte Probleme löst, dann habe ich viel mehr Vertrauen. Wenn es dann mit einer blöden Note nach Hause kommt, kann ich sagen: „Wird schon alles gut!“
Selbstständiges Lernen nach Lehrplan für Schülerinnen der Klassen 1-7 mit der Lernapp scoyo.
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