Eine Lehrerin gefährdet die Versetzung meines Kindes – und jetzt?
Johannes Braun
Manchmal kann ein Gespräch viele Probleme lösen
Der Sohn unserer Leserin tut sich schwer mit seiner Klassenlehrerin. Sie gibt ihm ein schlechtes Gefühl im Unterricht und jetzt ist auch die Versetzung gefährdet. Unsere Expertin Alexandra von Plüskow gibt Tipps zur Verständigung.
Liebes scoyo-Team,
was tun, wenn mein Kind nicht lernt, weil die Lehrerin nur das Schlechteste in ihm hervorbringt?
Seit ihrem ersten Tag in der Klasse (und an der Schule) hat sie wohl meinen Sohn auf dem Kieker. Wenn er eine falsche Antwort gibt, meckert sie: “Gehirn einschalten!“ Das letzte Zeugnis im Sommer war symptomatisch, denn in allen Fächern, wo er diese Lehrerin hat, hatte er “befriedigend”, sonst hatte er “gut”.
Daher war ich mit der Klassenlehrerin einig, dass eine Realschulempfehlung mit einem Durchschnitt von 3,0 angemessen wäre. Zu meiner Überraschung kam dann eine Hauptschulempfehlung ins Haus “geflattert”. Ich habe eine Mail geschickt mit der Bitte um Erklärung und einen Gesprächstermin. Die Antwort war: Das hätte die Gesamtlehrerkonferenz unter Vorsitz der Rektorin so entschieden. Einen Gesprächstermin hat sie mir bis heute nicht gegeben.
Eine solche Situation an der Grundschule ist sehr belastend für die ganze Familie, und es ist erstaunlich, finde ich, dass mein Sohn überhaupt noch bereit ist, in die Schule zu gehen.
Aber die Empfehlung ist nur ein Teil meiner Frage an Sie. Mir wäre es auch sehr wichtig meinem Sohn zu vermitteln, dass er für sich lernt und versteht, dass sein Trotz gegenüber der Lehrerin nicht in seinem Interesse ist. Nach der letzten Mathearbeit in der vergangenen Woche, mache ich mir auch langsam Gedanken um seine Versetzung.
Im Voraus vielen Dank für Ihre Antwort.
Unsere Expertin antwortet:
Alexandra von Plüskow, Lehrerin und Bildungskoordinatorin
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Sie schildern eine sehr schwierige Situation, die Ihr Sohn tagtäglich in der Schule erlebt.
Offenbar scheint es seit dem ersten Kontakt bereits einen Konflikt zwischen ihm und der Lehrkraft zu geben. Ihr Sohn berichtet von Bemerkungen ihm gegenüber, die – womöglich auch vor der ganzen Lerngruppe – deutlich machen, dass die Lehrkraft ihn nicht in seiner Persönlichkeit „sehen“ und auch annehmen kann. Ihr erster Schritt, nämlich das Gespräch zu suchen, ist schonmal ganz richtig. Ich möchte Ihnen im Folgenden ein paar Anregungen geben wie das aussehen kann.
Im Rahmen der „Erziehungs- und Bildungspartnerschaft“ begegnen sich Elternhaus und Schule auf Augenhöhe und kommunizieren regelmäßig und zum Wohle des Kindes über dessen Erziehung und seinen individuellen Bildungsweg, die Versetzung ist ganz klar ein entscheidender Teil hiervon. Dabei werden sowohl die Expertise der Lehrkraft im didaktisch-methodischen Bereich, aber eben auch die Kompetenz der Eltern als Experten für ihr Kind respektiert. Und – sollten sich gravierende Veränderungen ergeben – wie etwa eine Abweichung von dem Besprochenen in dem Sinne, wie Sie es schildern, sollte darüber auch vorab gesprochen werden. Ein Verweis auf den Beschluss der Klassenkonferenz ist in dem Zusammenhang nicht zielführend, denn Sie als Elternteil sollten ja wissen, wenn sich schulisch etwas so verändert, dass dies gleich solche bedeutsamen Folgen nach sich zieht.
Besondere Beratungsgespräche vor der Versetzung
Ist eine Empfehlung jedoch zugestellt, so gibt es in manchen Bundesländern so genannte „besondere Beratungsgespräche.“ Dieses gilt als zusätzliche Entscheidungshilfe für Eltern hinsichtlich des Übergangs von der Grundschule in die weiterführende Schule.
In manchen Bundesländern – so etwa in Baden-Württemberg – sind solche besonderen Beratungsanfragen sogar innerhalb bestimmter Fristen zu stellen. Achtung, das kann eine sehr kurze Frist sein.
Beratungslehrkräfte sorgen für Klarheit
Tipps für ein erfolgreiches Eltern-Lehrer-Gespräch gibt es übrigens auch in unserer Checkliste Elterngespräch, die wir gemeinsam mit einem unserer Experten erstellt haben.
Aber auch hinsichtlich der Wahrnehmung Ihres Sohnes, wie die Lehrkraft ihm gegenübertritt, sollten Sie sich Unterstützung holen.
Wenden Sie sich an die Beratungslehrkraft an der Schule Ihres Sohnes. Schildern Sie ihr die Situation und bitten Sie diese um ihren Eindruck und um Unterstützung in einem möglichen Gespräch mit der Lehrkraft Ihres Kindes. Da die Versetzung für viele Eltern und Lehrer sehr wichtig ist können Sie sich auch sicher sein, dass das Thema mit der nötigen Ernsthaftigkeit angegangen wird.
Nehmen Sie zu diesem Gespräch selbst eine Person mit, die Ihnen vertraut ist, und in deren Gegenwart Sie sich wohlfühlen. Es ist nicht wichtig, dass diese Person sich direkt am Gespräch beteiligt. Diese vertraute Person kann mit Ihnen im Nachgang das Gespräch reflektieren und die eigenen Wahrnehmungen des Gesprächsverlaufes schildern. Hilfreich ist es auch, wenn diese vertraute Person sich während des Gespräches kurze Notizen zu den Inhalten und Vereinbarungen macht. Kündigen Sie an, dass diese Person an dem Gespräch ebenfalls teilnehmen wird.
Die eigene Wahrnehmung konstruktiv ausdrücken
Sprechen Sie vor dem Gespräch auch mit Ihrem Sohn und bitten Sie ihn darum, die Situation aus seiner Sicht zu schildern. Notieren Sie die Inhalte, die Sie im Gespräch vorbringen möchten, stichwortartig.
Während des Gespräches sollten Sie die Wahrnehmung Ihres Kindes und Ihre eigene Wahrnehmung möglichst sachlich und objektiv schildern. Vermeiden Sie dabei so genannte „Du-Botschaften“, sondern bleiben Sie konsequent bei Ihrer und der Wahrnehmung Ihres Kindes.
Bitten Sie die Lehrkraft um Ihre Einschätzung, nicht nur in Bezug auf die Versetzung, sondern auch auf Ihren Sohn. Fragen Sie danach, wie sich Ihr Kind im Unterricht verhält. Erfragen Sie mögliche Veränderungen in der Leistung und in der Teilnahme am Unterricht. Konnten die Lehrkräfte hinsichtlich einer solchen Entwicklung mögliche Gründe beobachten? Und zu guter Letzt – bitten Sie darum, gemeinsam Lösungswege für Ihr Kind zu entwickeln.
Stärken Sie Ihr Kind
Vor allen Dingen ist es jedoch wichtig, dass Sie Ihr Kind stärken. Sie erwähnen selbst, dass es eine große Leistung vonseiten Ihres Sohnes ist, trotz seiner Empfindungen und Sorgen jeden Tag zur Schule zu gehen und den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Auch kann solch eine Empfehlung, besonders wenn auch die Versetzung gefährdet ist, einem Kind alle Motivation nehmen. Ihr Sohn schlägt sich bisher also schon sehr gut! Bedeutsam ist, dass Sie mit ihm im Dialog bleiben – und auch die positiven Seiten am Schulbesuch gemeinsam betrachten. Was sind seine Stärken? Was macht er gerne in der Schule? Mit welchen Klassenkameraden und Klassenkameradinnen lernt, arbeitet und spielt er gerne? Was möchte er gerne erreichen?
Besprechen Sie mit ihm die Inhalte des Gespräches mit der Lehrkraft. Kurzum: Nehmen Sie ihn in seinen Anliegen und seinen Sorgen weiterhin so ernst, wie Sie es jetzt schon tun. Es wird ihn stärken, zu spüren, dass Sie für ihn da sind.
Auf jeden Fall sollten Sie überlegen, welche Person Sie Ihrem Sohn als neutralen Gesprächspartner oder als neutrale Gesprächspartnerin zur Seite stellen können. Kann dies in der Schule etwa die Beratungslehrkraft oder ein Sozialarbeiter bzw. eine Sozialarbeiterin sein? Haben Sie in Ihrem Bekanntenkreis eine Person, die Ihrem Sohn ein neutrales, offenes Ohr leihen kann?
Zuversicht mit Blick auf die Versetzung
Es ist sehr gut, dass Sie Ihrem Sohn so intensiv zur Seite stehen. Schön ist auch, dass Sie diesem Übergang positiv entgegen schauen. Ein Neuanfang an einer neuen Schule, mit neuen Lehrkräften, neuen Mitschülerinnen und Mitschülern und – nicht zu unterschätzen – neuen Fächern wirkt häufig sehr motivierend auf Kinder. Umso wichtiger ist es, dass Sie die Motivation und die Lust auf Schule in Ihrem Sohn erhalten können. Dass er spürt, wie sehr Sie ihn unterstützen, ist hier ein ganz wichtiger Aspekt.
Unternehmen Sie in der Freizeit Dinge, für die er sich interessiert. Das können sportliche oder musikalische Aktivitäten sein – oder auch Ausflüge in Mitmach-Museen. Im Vordergrund steht hier, dass das Lernen durch das gemeinsame Erleben positiv empfunden wird.
Druck vom „System Familie“ nehmen
Und, ja, die schulischen Probleme eines Kindes – egal welcher Art – belasten immer das System Familie. Sorgen Sie auch für sich, indem Sie offen mit anderen Menschen über Ihre Situation sprechen. Bitten Sie beispielsweise die Klassenelternvertretung um ein offenes Ohr – oder eine gute Freundin. Manchmal helfen aber auch Gespräche mit neutralen Personen, die Ihren Sohn nicht kennen.
Sie können auch vorübergehend Beratungsangebote wie etwa von Erziehungsberatungsstellen (Leistung der Kinder- und Jugendhilfe) der Kommunen oder des schulpsychologischen Dienstes in Anspruch nehmen, um sich Entlastung zu schaffen und sich einen weiteren Blick sowie Tipps für den Umgang mit den Schwierigkeiten innerhalb der Familie einzuholen.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie – und vor allen Dingen Ihrem Sohn alles Gute und bin der Meinung, dass die Unterstützung, die er nun von Ihnen erfährt, das wichtigste Element ist, damit er in der neuen Schule motiviert starten kann. Um seine Versetzung sollten sie sich vor diesem Hintergrund weniger Sorgen machen.
Alexandra von Plüskow
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