Mein Kind will nicht lernen – was kann ich tun?
Katharina Looks
“ICH WILL NICHT!” Für manche Kinder ist es nicht leicht, sich zum Lernen zu motivieren
Der Sohn unserer Leserin hat absolut keine Lust auf Schule. Was tun, wenn das Kind nicht lernen will? Einfach “gegen die Wand laufen lassen”? Das raten unsere ExpertInnen.
Elternfrage zum Thema “Mein Kind will nicht lernen – was kann ich tun?”
Hallo scoyo,
mein Sohn geht in die 5. Klasse und sagt pauschal „Ich lerne eben nicht gern“. Er bemüht sich gar nicht erst, Lerntipps und -strategien von Lehrern oder uns Eltern anzunehmen. Vokabellernen mit Karteikarten? Keine Chance: „Nervt, funktioniert nicht für mich“. Vor Phasen zahlreicher Klassenarbeiten einen Lernplan anlegen? Fehlanzeige. Wichtiges Wissen auf Merkzetteln verdichten – handschriftlich? Auf gar keinen Fall.
Das ist für uns Eltern überhaupt nicht auszuhalten. Weil auch die Einsicht bei schlechten Noten nicht da zu sein scheint. Der Haussegen hängt ständig schief. Klar, ich denke, ich müsste ihn einfach mal voll vor die Wand laufen lassen. Aber das ist doch keine familienalltagstaugliche Strategie?!
Danke für Ihre Antwort. Gruß, Anja
Unsere Experten antworten:
Susanne Egert, Psychologin: Gefühle wahrnehmen und ansprechen
Zum letzten Punkt zuerst: Sie haben völlig recht, Ihren Sohn vor die Wand fahren zu lassen ist keine Option. Er würde sich allein gelassen fühlen und vermutlich würde er sich bestätigt fühlen in seiner Annahme, dass er nicht gut genug ist und sowieso alles falsch macht. Vertrauen Sie Ihrem Gefühl, das Ihnen sagt: Ihr Sohn braucht Ihre Unterstützung. (Ich gehe mal davon aus, dass Sie z. B. durch ein Gespräch mit den Lehrkräften geklärt haben, dass er inhaltlich nicht überfordert ist.)
Aber der Reihe nach: auch wenn es trivial scheint, es gibt immer einen Grund, warum Menschen etwas tun oder lassen – wir erkennen ihn nur nicht immer gleich. Das gilt natürlich auch für Ihren Sohn, wenn er nicht lernen will. Entscheidend sind die Gefühle des Kindes, sie sind der Schlüssel zum Kind. Es geht also nicht so sehr um Sachverhalte.
In Ihrer Schilderung sind die Gefühle Ihres Sohnes nicht erwähnt, die sollten Sie also zunächst versuchen herauszufinden.
“Na klasse, aber wie?” werden Sie jetzt sagen. Es ist vielleicht zunächst etwas ungewohnt, aber probieren Sie es doch einfach mal aus. Sagen Sie ihm, welche Gefühle Sie bei ihm wahrnehmen, z. B. “Du bist angespannt.” oder “Du hast Angst, etwas falsch zu machen.”. Hören Sie ihm erst mal nur zu. Daraus werden sich dann Veränderungsmöglichkeiten ergeben, die zur Situation Ihres Sohnes passen.
Um Ihnen eine Idee zu geben, was hinter einem Verhalten wie dem Ihres Sohnes stecken kann, hier drei häufige Gründe:
- Viele Kinder haben Angst Fehler zu machen. Sie betrachten Fehler als etwas Schlimmes, haben vielleicht die Erfahrung gemacht, dass geschimpft wird oder dass sie ausgelacht werden etc. Und was ist die sicherste Methode, um Fehler zu vermeiden? Genau – gar nichts tun, dann kann man auch nichts falsch machen! Hier ist es wichtig, den Kindern zu vermitteln, dass Fehler etwas Gutes sind, weil man nämlich daraus lernen kann! Leben Sie Ihrem Kind vor, dass auch Sie Fehler machen oder gemacht haben und wie Sie daraus gelernt haben. Und natürlich sollten Sie auf keinen Fall schimpfen. Es kann eine Weile dauern, bis Ihr Kind die neue Haltung übernimmt und darauf vertraut. Ermutigen Sie Ihr Kind, Dinge auszuprobieren und loben Sie ihn für alles, an das er sich herantraut! So kann er mehr Selbstvertrauen entwickeln.
- Es hört sich so an, als ob die schulische Situation Ihres Sohnes das Familienleben ziemlich stark bestimmt. Da hat sich vermutlich ein ziemlicher Druck aufgebaut. Sie möchten das Beste für Ihren Sohn erreichen, das ist verständlich und ehrt Sie als Eltern. Aber eine hohe Erwartungshaltung kann ein Kind auch überfordern. Manchmal werden Menschen in so einer Situation reaktant, d. h. sie machen, wie 3-Jährige in der Trotzphase, genau das Gegenteil von dem, was ihnen gesagt wird (das gilt übrigens auch für manche Erwachsene!). Überlegen Sie bitte mal, ob Sie solche Reaktionen schon öfter bei Ihrem Sohn bemerkt haben. Manchmal fühlen sich Kinder auch erdrückt vom Erfolg der Geschwister, der Eltern oder anderer Familienmitglieder. Da liegt die Messlatte dann sehr hoch, vielleicht zu hoch, zumindest im Empfinden des Kindes. Dann ist es wichtig, dem Kind die Chance zu geben, eigene Fähigkeiten und Stärken auszubilden, unter Umständen auch andere als schulische Fähigkeiten, seinen Weg zu gehen und dadurch Selbstbewusstsein aufzubauen. →Mehr dazu: “Ich schaff das!” Wie Kinder eine starke Persönlichkeit entwickeln
- Es gibt noch einen weiteren Grund, der leider gar nicht so selten ist: in manchen Klassen gibt es die Norm “Wer im Unterricht mitmacht oder wer die Hausaufgaben macht, wird geschnitten, mit dem redet keiner”. Aus so einer Situation kann sich das Kind nicht alleine befreien! Die Lehrer ahnen in der Regel nichts davon, ebenso wenig wie die Eltern. Die Kinder geraten in eine verzweifelte Lage, die sehr schnell in eine Depression führen kann bis hin zu suizidalen Gedanken: egal was sie tun, es ist falsch. Arbeiten sie im Unterricht nicht mit oder machen die Hausaufgaben nicht, kriegen sie Ärger mit den Lehrern, machen sie die Hausaufgaben, werden sie von den Mitschülern ausgeschlossen. Hier hilft nur das massive Eingreifen der Erwachsenen, die allerdings erst einmal die Vermutung haben müssen, dass so eine Situation vorliegt. In einer 5. Klasse wäre das allerdings eher ungewöhnlich, es kommt eher in 8./9. Klassen vor.
Béa Beste, Bildungsunternehmerin: Von Schulthemen Abstand nehmen, Stärken fördern
Oha! Ein lernunwilliges Pubertierchen!!! So etwas gibt es draußen in der Welt in sehr hoher Anzahl. Und Millionen von Eltern verzweifeln daran. Wer Geduld und Vertrauen hat, kann abwarten, denn meistens legt sich die Lernunwilligkeit von selbst. Für ungeduldige Eltern ist das allerdings eine Qual.
Daher einige Tipps:
1. Was NICHT hilft, wenn ein Kind nicht lernen will: Noch mehr Predigen und Zwingen. Die Trotzreaktion ist vorprogrammiert. Noch mehr Lernlösungen anbieten, oder Nachhilfe drauf kippen … ? Vergessen Sie es.
2. Was helfen KANN: Out-of-the-Box Lösungen. Etwas, was nichts mit der Schule zu tun hat, sondern mit dem Lernen an sich.
Ein Ansatz könnte sein, dass Sie Hilfe im Freundeskreis finden: Gibt es vielleicht einen Studenten oder älteren Schüler, der gern mit ihrem Sohn ein sinnvolles eigenes Projekt startet, das beiden Spaß macht? Am besten ein Filmprojekt, oder Blog, oder Schildkrötenretten … irgendetwas, was beide begeistert, sie extra forschen lässt, sie zum experimentieren bringt. Das schafft Interesse und Antrieb – auch für die Schule.
Ein weiterer Ansatz könnte eine ganz andere Maßnahme sein, da müssten Sie aber selbst bereit zu sein: Schauen Sie nach einer Hilfsorganisation, die Obdachlosen oder Analphabeten hilft, und versuchen Sie zusammen mit Ihrem Sohn, unter den Helfern zu gehen. Das kann bei Heranwachsenden ganz neue Horizonte eröffnen und sie die eigene Position völlig überdenken lassen.
Für mehr Motivation und Spaß beim Lernen:
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Falko Stolp, Schulleiter: Ursachen aufspüren, gemeinsam Lösungen suchen
© Ihnen als Eltern muss zunächst bewusst sein, dass es hier keine einfache Lösung gibt. Durch „Schalter umlegen“ wird das Problem nicht gelöst. Man sollte versuchen, gezielt und analytisch nach den Ursachen zu suchen:
Gibt es die Leistungsprobleme in mehreren Fächern? Haben mehrere SchülerInnen das Problem in bestimmten Fächern? Ist ihr Kind über- oder unterfordert? Wird der Unterricht binnendifferenziert gestaltet?
Man sollte sich beim Lehrer den Unterrichtsaufbau erklären lassen. Welche Methoden und Medien er verwendet. Wie die Zensierung erfolgt (mündliche, schriftliche Noten, Kompetenznoten usw.). Das sollte natürlich wertfrei und nicht vorwurfsvoll erfolgen. Zeitgleich muss das Kind auch die Möglichkeit haben, seine Sicht darzulegen. Danach kann man gemeinsam mit den Kind und dem Lehrer das Gespräch suchen, um vielleicht Lernverträge o.ä. zu formulieren. →Mehr Tipps für ein gutes Gespräch: Checkliste Eltern-/Lehrergespräch
Wichtiger ist aber die Frage: Wie erreicht man, dass Lust beim Lernen und Wissendurst wieder geweckt werden?
Das ist wohl das schwierigere Unterfangen und das hängt selbstverständlich auch vom Fach ab. Stoisch Vokabellernen zum Beispiel ist meines Wissens out. Das liest und hört man in den Fachmedien. Definitionen pauken und seitenweise auswendig lernen ebenfalls. Pech hat man hier, wenn die Schule gerade das verlangt.
Meine Vorschläge: Anschauliches, kreatives Lernen mit vielen verschiedenen Medien. Man kann auch das ein oder andere mit Bewegung verknüpfen. Lerninhalte in der Wohnung aufhängen, so dass diese einem immer wieder begegnen. Oder mit dem Handy zu Lernendes aufnehmen, um es unterwegs anzuhören. Erklärvideos anschauen oder vielleicht mit den Eltern gemeinsam selbst herstellen. Mir ist bewusst, dass das alles mit Zeit verbunden ist und manches nicht geht. Aber versuchen kann man es!
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Wenn die Lust nicht zurück kommt und weiter Erfolgserlebnisse ausbleiben, wird das Problem nur größer. Gerald Hüther hat es meiner Meinung nach mit seinem Zitat auf dem Punkt gebracht:
“Eigentlich braucht jedes Kind drei Dinge: Es braucht Aufgaben, andenen es wachsen kann. Es braucht Vorbilder, an denen es sich orientieren kann und es braucht eine Gemeinschaft, in der es sich aufgehoben fühlt.”
Motivation fördern!
scoyo-Geschäftsführer Daniel Bialecki beschäftigt sich täglich intensiv mit dem Thema, wie man Kindern den Spaß am Lernen erhalten hat. Neben dem Ratgeber Lernmotivation hat er bereits viele Artikel dazu verfasst. Hier ein Gastbeitrag beim Papablog “Daddylicious”: 10 Tipps, um Kinder zum Lernen zu motivieren
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