Das Weihnachts-Bullshit-Bingo
Louisa Eberhard
Wer spielt mit beim Weihnachts-Bullshit-Bingo?
Wir kennen sie doch alle – die typischen Situationen und Floskeln, die alljährlich mit der Weihnachtszeit einhergehen. Für Christian Hanne Grund genug, ein kleines Weihnachts-Bullshit-Bingo zu entwerfen.
Nicht mehr lange und dann steht Weihnachten vor der Tür. Das Fest der Liebe, aber auch das Fest der immer wiederkehrenden Rituale, Bräuche und Sprüche. Verschaffen Sie sich dieses Jahr doch ein wenig Kurzweil mit einem Weihnachts-Bullshit-Bingo.
Drucken Sie sich einfach die Bingo-Karte aus und streichen Sie jeden Satz durch, den Sie zwischen Heiligabend und dem 2. Weihnachtsfeiertag hören. Wenn Sie vier Kreuze horizontal, vertikal oder diagonal haben, springen Sie auf und rufen „Ho, ho, ho!“ Oder Sie trinken bei jedem Kreuzchen einen Schnaps. Dann wird Weihnachten auf jeden Fall lustig.
„Das wär‘ doch nicht nötig gewesen.“
Ein Satz, der bei keiner Bescherung fehlt. Insbesondere wenn die betagte Großtante selbstgehäkelte Topflappen mit psychedelischen Mustern in Komplementärfarben verschenkt. Hat besagte betagte Großtante allerdings ein beträchtliches Vermögen zu vererben, sollten Sie vor der Bescherung die folgenden Worte einstudieren: „Die sehen wirklich ganz, ganz toll aus. Die bekommen einen Ehrenplatz in der Küche.“
„Ich bin so satt, ich kann nie wieder etwas essen.“
Ein Satz mit einer kürzeren Halbwertszeit als die Freundinnen von Lothar Matthäus. Sie sagen ihn das erste Mal an Heiligabend nach dem Abendessen und zwar noch vor dem Nachtisch, von dem Sie sich eine halbe Stunde und zwei Verdauungsschnäpschen später eine extra große Portion gönnen. Weitere Male sagen Sie den Satz am 25. und am 26. und zwar jeweils nach Mittagessen, Kaffee und Abendessen. Und dann wieder an Silvester nach dem zehnten Raclette-Pfännchen.
„Es ist nur eine Kleinigkeit.“
Ein eher unangenehmer Satz, den Sie von Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin bei der Bescherung hören, nachdem Sie sich noch vor ein paar Wochen gegenseitig versichert haben, dass Sie sich dieses Jahr wirklich nichts schenken. Nachdem Sie das Kreuzchen auf Ihrer Bingo-Karte gemacht haben, müssen Sie unter dem Vorwand, kurz aufs Klo zu gehen, schnell ein Geschenk improvisieren. Zum Beispiel, indem Sie mit Hilfe einer Heißklebepistole aus einem Socken, ein paar Wollresten und zwei Haselnüssen eine lustige Handpuppe basteln. Wenn Sie das Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin überreicht haben, schenken Sie sich nächstes Jahr garantiert nichts.
„Ihr Kinderlein kommet.“
Eine Liedzeile, die an Heiligabend in zehntausenden von Gottesdiensten aus Millionen von Kehlen ertönt. Leider aus den Kehlen von Menschen, die meist über das musikalische Talent einer verrosteten Gießkanne verfügen, so dass das Lied eigentlich „Ihr Kinderlein fliehet, so lange ihr könnt!“ lauten müsste.
„Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke!“
Wenn Sie diesen Satz hören, ist es spätabends, die Kinder liegen endlich im Bett, sie haben das Schlimmste für den Tag geschafft und schauen zu, wie Bruce Willis in „Stirb langsam“ ganz unweihnachtlich einen Terroristen nach dem anderen niedermetzelt. Ein besseres Mittel zum Weihnachtsstressabbau gibt es nicht. Außer Sie haben einen Sandsack geschenkt bekommen und können sich daran abreagieren. Ist aber viel anstrengender und Sie können dabei keine Plätzchen essen.
„Wann kommt endlich das Christkind?“
Wenn Ihre Kinder noch im Kindergartenalter sind, werden Sie diesen Satz am 24. das erste Mal morgens um 4.30 Uhr hören. Und dann bis zur Bescherung noch 1.324 weitere Male, bis Sie kurz davor sind, sich heißen Kerzenwachs in die Ohren zu träufeln. Auf der Bingo-Karte dürfen Sie trotzdem nur ein Kreuz machen.
„Ob ich wohl noch in die Hose passe?“
Das fragen Sie sich, wenn Sie sich an Heiligabend in die festliche Garderobe schmeißen. Beziehungsweise schmeißen wollen. Sollten Sie in der Adventszeit eine spezielle Form der Diät ausprobiert haben, die ausschließlich aus Stollen, Lebkuchen und Dominosteinen besteht, werden Sie Ihre Frage wohl verneinen müssen. Daher empfiehlt es sich, immer eine festliche schwarze Jogginghose mit sehr elastischem Bund im Kleiderschrank aufzubewahren.
„Steht der Baum jetzt gerade?“
Eine Frage, die die Person stellt, die bäuchlings auf dem Boden liegt und versucht, den Weihnachtsbaum in den Ständer zu fummeln. In 99 Prozent der Fälle lautet die Antwort übrigens „Nein.“ Denn entweder ist der Baum, den Sie im Sonderangebot erstanden haben, schief, oder der Boden ist uneben, oder Sie sind einfach zu ungeschickt, den Baum richtig zu justieren. Wahrscheinlich trifft alles zu.
„Immer ist diese verf*** Lichterkette verheddert!“
Sollten Sie Millionär sein und sich diese sündhaft teuren einzelnen batteriebetriebenen Kerzen gekauft haben, die Sie ganz bequem in den Baum klemmen, können Sie mit diesem Satz beim Weihnachts-Bingo nicht punkten. Ansonsten gilt: Egal wie ordentlich Sie beim Abschmücken des Weihnachtsbaums Anfang des Jahres die Lichterkette verstaut haben, versuchen Sie jetzt, sie ordentlich in den Baum zu hängen, ist die Kette derart verknäult, dass der Gordische Knoten dagegen als lockeres von einem ungeschickten Kitakind gebundenes Schleifchen gelten kann.
„Früher war mehr Lametta.“
Nachdem Sie es irgendwie geschafft haben, den Weihnachtsbaum zu schmücken, posten Sie stolz ein Foto bei Instagram oder Facebook. Innerhalb von drei Minuten wartet dann irgendein Cousin dritten Grades, den Sie noch nie leiden konnten, mit diesem alten Loriot-Zitat auf. Während Sie für Ihr Bild drei kümmerliche Likes bekommen – von sich, von Ihrer Frau oder Ihrem Mann sowie ein Mitleids-Like von Ihrem Kind – entspannt sich unter dem vetterlichen Kommentar eine lebhafte Unterhaltung, bei der nach und nach der komplette „Weihnachten bei den Hoppenstedts“-Sketch nacherzählt wird inklusive 48 Links zu YouTubes-Videos in miserabler Auflösung.
„Schon wieder keine weiße Weihnacht.“
Sofern Sie nicht auf der Zugspitze Weihnachten feiern, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass dieser Satz mindestens einmal während der Feiertage fällt. Außer Sie feiern die Geburt Jesu gemeinsam mit einem kolumbianischen Drogenkartell. Dann haben Sie auch ohne Schnee ein weißes Weihnachtsfest.
„Könnt ihr euch nicht wenigstens an Weihnachten vertragen?“
Streitende Kinder gehören zu Weihnachten wie die Krippe oder der Coca-Cola-Truck. Wenn die Kinder mehrere Tage ununterbrochen aufeinander hängen und vollkommen überzuckert sind, weil Sie sich pausenlos Plätzchen und Lebkuchen reinstopfen, ist es kein Wunder, dass es irgendwann zu Meinungsverschiedenheiten kommt, die nicht unbedingt nach den Regeln der aristotelischen Diskursethik ausgetragen werden, sondern eher wie bei einem Remake des „Bloodsport“-Klassikers von Jean-Claude Van Damme.
„Last Christmas …“
So lange Sie nicht sämtliche Radio- und Musikabspielgeräte sowie Weihnachts-Sampler in Ihrer Umgebung zerstören, ist die Wahrscheinlichkeit höher als weiße Weihnachten auf der Zugspitze, dass Ihnen George, der alte Halbgrieche, wenigstens einmal über die Weihnachtsfeiertage die Ohren volljammert, dass er letztes Jahr sein Herz an irgendeine dusselige Kuh verschenkt hat, die nichts besseres zu tun hatte, als es gleich am nächsten Tag wieder wegzugeben.
„Das schmeckt nicht.“
Hegen Sie keine Hoffnungen, dass es an Heiligabend anders als an den restlichen 364 Tagen im Jahr sein wird. Sofern Sie nicht Pizza oder Nudeln mit Ketchup servieren, werden die Kinder an Ihrem Essen mehr rummäkeln als ein „Der Feinschmecker“-Redakteur beim McDonald’s-Besuch.
„Wenn es dir nicht gefällt, kannst du es umtauschen.“
Ein Satz, den Sie besonders gerne hören werden, wenn Sie gerade ein so genanntes SOS-Päckchen von Ihren Eltern aufgemacht haben (Schlips, Oberhemd, Socken). Oder die Oma Ihnen eine Flasche Kölnisch Wasser geschenkt hat.
„Damdamdamdamdamdamdamdamdamdamdamdamdamdamdamdamdam!“
Mit etwas Phantasie haben Sie sicherlich erkannt, dass es sich hierbei um die Eingangsmelodie von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ handelt. Ein Film von begrenztem künstlerischem Wert und mit einer Kameraführung, als hätte ihn ein Kamerakind von „1, 2 oder 3“ aufgenommen, aber trotzdem ist er ein Segen für Eltern. Wenn Sie die „Wann kommt endlich das Christkind?“-Fragerei nicht mehr aushalten, können Sie Ihre Kinder einfach vor der Glotze parken. Und zwar um 12 Uhr, um 15.05 Uhr, um 16.20 Uhr, um 18.50 Uhr und – falls Sie eine späte Bescherung machen – um 20.15 Uhr. Oder, wenn Sie ein Netflix-Abo haben, schon ab 4.30 Uhr.
Ich wünsche Ihnen ein fröhliches Weihnachtsfest und einen guten Start ins Jahr 2019. Ho ho ho!
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Über den Autor
Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel „Nackte Kanone“ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog „Familienbetrieb“, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Am 17. Oktober ist sein neues Buch „Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit“ im Seitenstraßen Verlag erschienen.
Im Netz
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