Der Weihnachtsfeier-Survival-Guide
Louisa Eberhard
Wie überlebt man bakterienverseuchte Plätzchen?
Wie überlebt man das alljährliche Krippenspiel, bakterienverseuchte Plätzchen oder das Elternsingen? Mit dem Survival-Guide von Christan Hanne sind Sie auf der sicheren Seite.
Adventszeit ist Weihnachtsfeierzeit. Im Dezember wird geweihnachtsfeiert, was das Zeug hält, bis es Ihnen zu den Ohren rauskommt. Besonders herausfordernd sind die Feiern in Kita und Schule. Bei den Weihnachtsfeiern von der Arbeit wird wenigstens Alkohol ausgeschenkt, was die Ansprache des Chefs erträglich macht, und Ihnen die Möglichkeit gibt, sich die Kolleginnen und Kollegen zuerst nett und später schön zu saufen.
Weihnachtsfeiern in Kita und Schule zeichnen sich aber nicht nur durch einen Mangel an Alkohol, sondern auch durch vier ganz besondere Gefahrenquellen aus:
1) Das selbstgeschriebene Krippenspiel
2) Das gemeinsame Singen
3) Das weihnachtliche Buffet
4) Der Auftritt des Weihnachtsmanns
Sie können sich glücklich schätzen, dass ich für jede dieser Herausforderungen Tipps parat habe, die sicherstellen, dass Sie die Kita- und Schulweihnachtsfeiern in den nächsten Wochen überleben werden.
1) How to survive the selbstgeschriebene Krippenspiel
Das Krippenspiel als szenische Darstellung der Weihnachtsgeschichte rund um Maria, Josef und dem Jesuskind verfügt über eine jahrhundertelange Tradition und erfreut sich in Kitas und Grundschulen größter Beliebtheit. Zumindest bei den Kindern, die eine der Hauptrollen abbekommen haben. Bei denen, die einen Schäferkomparsen mimen müssen oder mit der Rolle eines Baums abgespeist wurden, ist die Begeisterung nicht ganz so groß.
Für Eltern sind die Krippenspielaufführungen auf jeden Fall eine grenzwertige Erfahrung, denn die Niedlichkeit der darstellenden Kinder kann ihr mangelndes schauspielerisches Talent und ihre lückenhafte Textkenntnis nur bis zu einem gewissen Grad aufwiegen. Verkündet aber die Erzieherin oder der Grundschullehrer sogar mit Tränen der Rührung in den Augen, die Kinder hätten sich das folgende Krippenspiel ganz alleine ausgedacht, sollte dies bei Ihnen Fluchtreflexe auslösen wie bei einem Gnu, das vor einem Rudel Löwen Reißaus nimmt. Von Kindern geschriebenen Krippenspielen fehlt es nämlich zumeist an dramaturgischer Spannung, die Dialoge plätschern inhaltsleer vor sich hin und den Handlungsverlauf als wirr zu bezeichnen, wäre eine unangemessene Beschönigung der grotesken Geschehnisse auf der Bühne. Kurzum: Das ganze Stück wirkt wie eine gemeinschaftliche Regiearbeit von Lars von Trier, David Lynch und Helge Schneider gewürzt mit einer Prise Dadaismus. Schon nach drei Minuten merken Sie, wie sich in Ihrem Hirn ein Nichts ausbreitet und wie Sie allmählich ins Wachkoma abdriften. (Ein Zustand, der bei Ihnen Erinnerungen an den Chemieunterricht in der 10. Klasse hervorruft.)
Wappnen Sie sich daher für das selbstgeschriebene Krippenspiel mit einer Brille, auf die Sie ein paar Wackelaugen kleben. So können Sie während der Vorführung nahezu unbemerkt die Augen schließen und eine Runde schlafen. Dann hat das Stück sogar eine vitalisierende Wirkung auf Sie. Allerdings dürfen Sie auf keinen Fall in die Tiefschlafphase abgleiten. Wenn das Stück zu Ende ist, müssen Sie selbstverständlich unverzüglich aufspringen und den Jungschauspielerinnen und -schauspielern mit Standing Ovations die Ehre erweisen. (Halten Sie sich aber mit „Zugabe, Zugabe!“-Rufen zurück, damit nicht noch ein paar selbstgereimte Weihnachtsgedichte zum Besten gegeben werden.)
2) How to survive the gemeinsames Singen
Um eines vorweg klarzustellen: Ich bin ein großer Fan von Weihnachtsmusik. Auf meinem Handy habe ich eine fast zwölfstündige Weihnachtsplaylist. Von A wie “All I want for Christmas” bis Z wie “(Die) zwölf Weihnachtstage“ ist alles dabei. Mehr als 200 Songs. Die Lieder laufen bei mir von Mitte November bis Anfang Januar ununterbrochen. Von früh morgens bis spät abends. (Zum großen Leidwesen des Rests der Familie.) Ich übertreibe somit nicht, wenn ich sage, dass ich Weihnachtslieder liebe.
Ich übertreibe allerdings ebenso wenig, wenn ich sage, ich hasse das gemeinschaftliche Singen von Weihnachtsliedern. Auf Weihnachtsfeiern in Kitas und Grundschulen ist das ein gleichermaßen häufiger wie unschöner Brauch. Da die meisten Eltern – und ich schließe mich hier ausdrücklich mit ein – mit den stimmlichen Fähigkeiten einer rostigen Gießkanne und dem Taktgefühl einer Schrankwand vom Typ ‚Eiche rustikal‘ gesegnet sind, hört sich die Darbietung von so wunderbaren Liedern wie „Stille Nacht“, „Leise rieselt der Schnee“ oder „In Excelsis Deo“ wie ein „Acid Jazz meets Zwölftonmusik“-Konzertabend der Volkshochschule Wanne-Ecikel an. Wenn das Gesinge auch noch von der Blockflöten-AG begleitet wird, können Sie sich gleich Aufnahmen von quietschendem Styropor anhören.
Sie können dieser musikalischen Folter entgehen, indem Sie sich Schallschutzkopfhörer aufsetzen, wie sie Bauarbeiter bei Arbeiten mit dem Presslufthammer benutzen. Allerdings ist das nicht besonders unauffällig und zieht möglicherweise ein paar sehr unweihnachtliche Diskussionen nach sich. Eleganter ist es, wenn Sie möglichst kleine, kabellose In-Ear-Kopfhörer tragen, über die Sie Ihre vorher liebevoll zusammengestellte Weihnachtsplaylist hören, so dass Sie von dem Gekrächze und Gejaule um Sie herum nichts mitbekommen. Aber Vorsicht: Verlieren Sie sich nicht zu sehr in Ihrer eigenen Weihnachtsmusik. Sonst laufen Sie Gefahr, dass Sie irgendwann ein selbstvergessenes „Fairytale of New York“ in den Raum schmettern. Und dann könnte es ebenfalls unweihnachtliche Diskussionen geben.
3) How to survive the weihnachtliche Buffet
Ebenso wie Weihnachtslieder, liebe ich Weihnachtsgebäck und -süßigkeiten. Butterplätzchen, Vanillekipferl, Marzipan Spritzgebäck, Dominosteine, Lebkuchen, Zitronenherzen, Nussbusserln, Nougat, Rumtörtchen, Kokosmakronen. Ich esse alles gerne. (Deswegen pflege ich in der Adventszeit stets Hosen mit hohem Elasthananteil zu tragen.)
Dennoch schaudert es mich, wenn vor der Weihnachtsfeier in der Kita- oder Grundschul-WhatsApp-Gruppe die Nachricht rumgeschickt wird: „Bringt bitte alle etwas für das weihnachtliche Buffet mit!“ Eltern backen ja häufig zusammen mit ihren Kindern. Während Kinder sehr enthusiastische Plätzchenbäcker sind (zumindest die ersten fünf Minuten), so sind sie sehr unenthusiastische Händewäscher. Entsprechend landen auf den von Kinderhand gebackenen Plätzchen mehr Bakterien und Keime als Schokostreusel und Zuckerperlen. Zudem gibt es eine Vielzahl an Viren, die bei 200 Grad im Backofen nicht abgetötet werden. Das heißt, wenn Sie ein Kinder-Plätzchen essen, können Sie auch gleich eine Petrischale aus einem Labor für biologische Kampfstoffe auslecken.
Also, halten Sie sich am weihnachtlichen Buffet von allem, was auch nur entfernt nach Selbstgebackenem aussieht fern. Greifen Sie ausschließlich bei Ihrem eigenen Gebäck zu oder bei gekauften Dominosteinen, Lebkuchen und Printen. Die sind vielleicht nicht ganz so lecker, aber wenigstens verbringen Sie dann Heiligabend nicht auf der Seuchenstation der Berliner Charité.
4) How to survive the Auftritt des Weihnachtsmannes
Der Höhepunkt vieler Kita- und Grundschulweihnachtsfeiern ist der Auftritt des Weihnachtsmannes, der an die lieben und weniger lieben Kleinen Geschenke verteilt. Dazu wird entweder ein Vater verdonnert, gegen den irgendwelches kompromittierendes Material vorliegt, oder, falls es daran mangelt, eine der Erzieherinnen muss das übernehmen. Das Problem dabei: Das schauspielerische Talent der Laien-Weihnachtsmänner bewegt sich nur unwesentlich über dem Niveau der Krippenspiel-Kinder. Egal ob zwangsverpflichteter Vater oder Erzieherin: Ihre Weihnachtsmann-Performance ist nicht gerade oscarreif. Nicht einmal bambiwürdig. Eher so GZSZmäßig.
Viele Kita-Kinder brechen beim Anblick dieser Weihnachtsmann-Karikaturen in Tränen aus. Nicht aus Angst vor dem bärtigen, dicken Mann in den unvorteilhaft sackartigen Klamotten, sondern weil selbst Zweijährige bei diesem Trauerspiel merken, dass es den Weihnachtsmann gar nicht gibt. Damit ist für sie der Zauber des Weihnachtsfestes frühzeitig und unwiderruflich zerstört. Eine frühkindliche, traumatische Erfahrung wie aus dem Lehrbuch.
Es gibt nur einen Ausweg, wie Sie dieses Father-Christmas-Desaster abwenden können. Sie müssen einen professionellen Schauspieler als Weihnachtsmann engagieren. Und zwar einen aus der A-Liga. Zum Beispiel Mario Adorf. Der kommt schon rein figürlich und mit seiner grauen Gesichtsmatte dem Dickerchen vom Nordpol recht nahe. Da braucht es dann nur noch ein bisschen Method Acting und schon haben Sie einen perfekten Weihnachtsmann. Gut, dass wird Sie zwar einen sechsstelligen Eurobetrag kosten, aber das wird Ihnen ja wohl das Seelenheil Ihres Kindes wert sein.
Wenn Sie die hier beschriebenen Überlebenstipps beherzigen, können Sie den Weihnachtsfeiern in den nächsten Wochen relativ gelassen entgegensehen. Und wenn alles rum ist, belohnen Sie sich mit einem T-Shirt mit dem Aufdruck: „I survived the Weihnachtsfeierei 2018!“
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Über den Autor
Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel „Nackte Kanone“ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog „Familienbetrieb“, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Am 17. Oktober ist sein neues Buch „Ein Vater greift zur Flasche. Sagenhaftes aus der Elternzeit“ im Seitenstraßen Verlag erschienen.
Im Netz
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