Ideen für Fasching mit Kindern: Quell der modernen Pädagogik
Katharina Looks
Fasching rockt.
Fasching/Karneval scheidet die Geister. Unser Kolumnist Christian Hanne erklärt aber sehr aufschlussreich, weshalb die fünfte Jahreszeit ein Muss für alle Eltern ist. Darunter: Wie die Polonaise Führungsqualitäten schult.
Kolumne von Christian Hanne, Blog Familienbetrieb
Am Karneval beziehungsweise Fasching scheiden sich die Geister: entweder man liebt ihn und fiebert vorfreudig dem Februar mit seinen Umzügen und Prunksitzungen entgegen, oder man fragt sich mit Befremden, warum sich erwachsene Menschen alberne Kostüme anziehen, über unlustige Büttenreden lachen und zu gruseligen Liedern schunkeln.
Als Eltern sollten wir aber unbedingt dankbar sein für die fünfte Jahreszeit, denn sie ist – und das mag Sie verwundern – ein Quell der modernen Pädagogik. Fasching fördert nicht nur die kindliche Kreativität und Phantasie und trainiert die Sprachkompetenz, sondern lehrt darüber hinaus sowohl Teamfähigkeit als auch Führungsqualitäten. Deshalb lege ich Ihnen wirklich folgendes ans Herz: Besuchen Sie mit Ihren Kindern so häufig wie möglich Faschingsumzüge und Karnevalssitzungen! Auch wenn das für Sie nach einem hohen Preis klingen mag, für die sprachliche, mentale und charakterliche Entwicklung Ihres Kindes ist es kein allzu hoher. Wie genau das funktioniert, erfahren Sie im folgenden 6-Punkteplan.
1: Persönlichkeitsentwicklung durch Kinder-Faschingskostüme
Alle Kinder lieben den Fasching, denn er bietet die Möglichkeit, sich als Polizist, Prinzessin, Clown oder Superheld zu verkleiden. Diesen Verwandlungswillen sollten Sie unbedingt fördern und – auch wenn nicht ganz billig – Ihrem Nachwuchs jedes Jahr mehrere Kostüme kaufen. Denn das Verkleiden hat nämlich eine stark charakterbildende Funktion. Ich bin beispielsweise davon überzeugt, dass meine sehr komplexe Persönlichkeit auf meine sehr unterschiedlichen Kinderfaschingskostüme zurückzuführen ist. Als Musketier habe ich beispielsweise gelernt für andere einzustehen, der Schneemann hat mir stoische Gelassenheit beigebracht und seit ich mich in der Grundschule einmal als Blume verkleiden musste, weiß ich, mit Spott und Hohn umzugehen.
2: Deutschnachhilfe durch Büttenreden
Der Karneval bietet vielfältige germanistische Fortbildungsmöglichkeiten für Ihr Kind. Schauen Sie sich gemeinsam jede Karnevalssendung im Fernsehen an, damit Ihr Kind in den Genuss möglichst vieler Büttenreden kommt. Am Ende einer vierstündigen TV-Show beherrscht es den Paarreim und die Bestimmung eines einfältigen Versmaß wie im Schlaf, ist mit dem politischen Witz auf niedrigstem Niveau vertraut, und weiß, dass einfache Botschaften am wirkungsvollsten durch einfache Reime transportiert werden (“Wenn’s vorne juckt und hinten beißt, hilft Klosterfrau-Melissengeist.”). Das intensive Büttenredenstudium macht Ihr Kind vielleicht noch nicht zum Dichter und Denker, für eine Drei bei der nächsten Gedichtinterpretation sollte es aber reichen.
3: Fremdsprachenkompetenz durch kölsches Liedgut
In einer globalisierten Welt ist es essenziell, Fremdsprachen zu beherrschen. Und diese lernt man am besten im Kindesalter. Daher sollten Sie Ihren Nachwuchs schon in jungen Jahren ausgiebig mit kölschen Karnevalsliedern beschallen. Wenn Ihr Kind erstmal versteht, dass “Superjeilezick” kein Ziegenkind bejubelt, und “Fastelovend sin mer widder da” nichts mit der sündigen Beinaheliebe zu einem Schafbock zu tun hat, dann stellt das Erlernen von Mandarin, Kantonesisch oder Afrikaans kein großes Problem mehr da.
4: Teamfähigkeit durch gemeinschaftliches Schunkeln
Im modernen Berufsleben sind Teamplayer gefragt, die sich mit Kolleginnen und Kollegen abstimmen und gemeinsam erfolgreich Projekte umsetzen. Darauf können Sie Ihr Kind im Fasching bestens durch Schunkeln vorbereiten. Dabei macht es wichtige Erfahrungen, dass man sich in der Gruppe auf eine Richtung und Geschwindigkeit einigen muss und dass der Erfolg des Projekts gefährdet wird, wenn sich auch nur ein einziges Mitglied in der Gruppe nicht an die Absprachen hält. Außerdem lernt es frühzeitig, dass man im Berufsleben häufig vollkommen sinnfreie Dinge tut, die niemand hinterfragt.
5: Führungsqualitäten durch Polonaise
Wenn Sie möchten, dass Ihr Kind nicht nur als Mitläufer mitschunkelt, sondern für das spätere Leben lernt, auch mal die Führung zu übernehmen, ist eine Polonaise genau das Richtige: Wer an der Spitze der Polonaise steht, trägt Verantwortung, gibt die Richtung vor und wählt die optimale Geschwindigkeit aus, bei der es vorangeht – aber auch alle mitkommen. Allerdings müssen Sie sich auf knifflige Fragen vorbereiten, wenn Sie Ihr Kind ins Polonaise-Bootcamp schicken. Wie können Löcher aus dem Käse fliegen, wo liegen Blankenese und Wuppertal und warum fasst Erwin andauernd der armen Heidi von hinten an die Schultern?
6: Alkoholerziehung durch abschreckende Beispiele
Da das Kind gut und gerne am Modell lernt, liegt der unschätzbare Wert des Faschings aber vor allem darin, Ihre Kinder frühzeitig über die schädliche Wirkung von Alkohol aufzuklären. Schon der Mainzer Karnevalist Arthur Becker warnte davor, dass der übermäßige Genuss von Wein und Bier die Stabilität von Gebäuden beeinträchtigt (“Und da wackelt der Dom”). Bei Willi Millowitsch führt der maßlose Konsum von hochprozentigen Getränken gar direkt ins Jenseits (“Schnaps das war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort.”). Und wenn Ihre Kinder erstmal auf einer Karnevalssitzung sehen, wie Onkel Horst volltrunken jungen Frauen nachstellt und Tante Gisela im Rausch auf Tischen und Bänken tanzt, werden sie mindestens bis zur Volljährigkeit die Finger vom Alkohol lassen.
Fasching mit Kindern, auf keinen Fall?
Sollten Sie mit Karneval und Fasching aber so gar nichts anfangen können, dann bringen Sie Ihren Kindern wenigstens bei, dass es ein Merkmal toleranter Gesellschaften ist, das kulturelle Brauchtum von Minderheiten zu ertragen. Die wollen nur spielen!
Weitere Kolumnen von Christian Hanne hier im ELTERN! Magazin:
Über den Autor
Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel ‘Nackte Kanone’ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog ‘Familienbetrieb’, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September ist sein Buch “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith” im Seitenstraßenverlag erschienen. In zwölf gar nicht mal so kurzen Kurzgeschichten schreibt er darüber, wie Schwangerschaft, Marathongeburten und nachtaktive Babys eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft auf die Probe stellen.
Im Netz:
Kolumne von Eltern für Eltern
Im Wechsel schreiben Blogger und Journalisten über Themen, die Eltern bewegen. Lesen Sie hier Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens. Alle Kolumnen ansehen.
Eltern-Newsletter
Regelmäßige Updates zu den Themen Schule, Lernen, Familie, (digitale) Bildung, exklusive Gewinnspiele und Angebote zu den scoyo Lernprodukten direkt in Ihr Postfach. Jetzt abonnieren!