Keine Macht dem Kinderwitz!

Johannes Braun

Die Kinderwitz-Phase ist keine leichte.
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Kinderwitze – oft möchte man sich auf der Stelle buchstäblich totlachen. Christian Hanne gibt Einblick in die Anfänge des Humors und hilft Ihnen mit den komödiantischen Ausbrüchen der Kleinen klarzukommen.

Wenn Sie darüber nachdenken, welche Phase mit Ihren Kindern die anstrengendste ist oder war, fallen Ihnen wahrscheinlich Zahnen, Trotzalter und Pubertät ein. Zweifellos sind dies Jahre, die uns Eltern viel Kraft und Nerven kosten und die Haare ergrauen – oder ausfallen – lassen. Aber es gibt eine viel schlimmere Phase und gegen die erscheinen durchwachte Zahn-Nächte, Tobsuchtsanfälle im Supermarkt oder Diskussionen mit patzigen Teenagern wie ein gemütlicher Spaziergang an einem lauen Sommerabend. Sie beginnt, wenn Ihr Kind mit ungefähr fünf Jahren vor Ihnen steht und das erste Mal die unheilvolle Frage stellt: „Soll ich dir einen Witz erzählen?“ Dann ist es in die Kinderwitze-Phase eingetreten!!!

Möglicherweise ist Ihr Kind noch nicht im sprechfähigen Alter, und Sie denken jetzt, dass es doch ganz niedlich ist, wenn Ihr süßer Fratz irgendwann mal einen Witz zum Besten gibt. Lassen Sie mich Ihnen versichern: Nein, ist es nicht. Überhaupt nicht! Tritt Ihr Kind in die Kinderwitze-Phase ein, wird es für die nächsten sechs bis acht Jahre von einem Dämon besessen sein, dessen Ziel einzig und alleine darin besteht, Sie durch das Erzählen von Witzen qualvoll zur Strecke zu bringen. Kinderwitze sind nämlich unerträglich lang, sind nicht lustig und Kinder sind Meister darin, Pointen zu versemmeln.

Alles hat ein Ende, nur der Witz hat keins

Witze zeichnen sich für gewöhnlich dadurch aus, dass sie relativ kurz sind und eine prägnante Pointe haben.

Sagt der Arzt zur Frau des Patienten: „Ihr Mann gefällt mir gar nicht.“ Sagt die Frau: „Mir auch nicht, aber die Kinder hängen an ihm.“

Das ist auf den Punkt, halbwegs lustig, sie können darüber lachen (oder auch nicht) und dann ist der Spuk auch schon wieder vorbei. Zum Glück.

Bei Kinderwitzen ist das anders. Es gibt ein Orgelstück mit dem Titel ORGAN², das seit 2001 in der Sankt-Burchardi-Kirche in Halle aufgeführt wird und dessen Gesamtlänge auf 639 Jahre angelegt ist. Das ist in etwa die Zeitspanne, die ein durchschnittlicher Kinderwitz dauert. Hat Ihr Kind mit einem Witz angefangen, können Sie getrost alle Termine für die nächsten Wochen, Monate und Jahre absagen.

Witz komm raus, du bist umzingelt

Kinderwitze sind aber nicht nur unerträglich lang, sondern meistens auch vollkommen unwitzig. Selbst wenn Sie 134 Jahre alt werden und das Ende eines Kinderwitzes erleben, werden Sie nichts zu lachen haben, denn wahrscheinlich gibt es überhaupt keine Pointe.

Schlimmstenfalls sehen sie am Ende eines Kinderwitzes so aus © Fotolia „Angeklagter, warum haben Sie das Auto gestohlen?“

„Ich musste ganz schnell zur Arbeit.“

„Da hätten Sie doch den Bus nehmen können.“

„Stimmt.“

Sie denken jetzt möglicherweise angestrengt darüber nach, was daran lustig sein soll. Viel Glück! (Sollten Sie es herausfinden, freue ich mich über eine E-Mail an rofl-lol@familienbetrieb.info.)

Knapp vorbei ist auch daneben

In den äußerst seltenen Fällen, dass ein Kinderwitz doch eine Pointe hat, können Sie allerdings davon ausgehen, dass Ihr Kind sie versauen wird. Kinder sind nämlich die schlechtesten Witzerzähler der Welt. Sie sagen ungefähr eine Trillionen Mal „und dann“ („und dann ist die Oma ausgerutscht, und dann hat sie zu Fritzchen gesagt, „Hilf mir mal hoch.“ und dann hat Fritzchen gesagt …“) und außerdem verwechseln sie andauernd etwas („Der Mann sagt zur Frau, nee, zum Mann, nee, der Arzt sagt das, ach nee, der Briefträger …“). Und allerspätestens bei der Pointe bringen Kinder immer irgendetwas durcheinander.

Treffen sich zwei Fische im Wasser. Sagt der eine: „Guten Tag!“ „Wo?“

Für Kinder zwischen fünf und dreizehn gibt es nichts Großartigeres, als Witze zu erzählen, für Eltern nichts Qualvolleres, als sich diese anzuhören. Was können Sie also tun, um der Kinderwitzehölle zu entkommen? Dafür verrate ich Ihnen ein paar nicht ganz einfache, aber dafür recht effektive Tricks, wie Sie dieses Schicksal abwenden können.

Eine Massage der Schläfen hilft bei einem Kinderwitz auch nicht
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Schaffen Sie eine witzefreie Zone!

Ein Kind, das keine Witze kennt, kann auch keine erzählen. Am besten sollte Ihr Kind also überhaupt nie in Kontakt mit Witzen kommen. Schenken Sie Ihrem Kind daher nie, aber auch wirklich niemals, ein Witzebuch. (Bekommt Ihr Kind von Verwandten, Freunden oder Bekannten ein Witzebuch geschenkt, brechen Sie den Kontakt zu diesen Menschen unverzüglich ab. Es handelt sich wahrscheinlich um sadistische Soziopathen, mit denen Sie nichts zu tun haben wollen.) Nennt Ihr Kind erst einmal ein Witzebuch sein Eigen, werden Ihre kompletten Wochenende daraus bestehen, dass Ihr Kind Ihnen daraus vorlesen wird (Schlimm!) oder gar die Witze nacherzählt (Noch schlimmer!).

„Das große Buch der 1.000 Witze“ ist schon unerträglich, aber nichts im Vergleich zum Internet. Dort lauern Millionen von Witzen. Häschenwitze, Fritzchenwitze, Flachwitze, Mudder-Witze, Blondinenwitze, Tierwitze, Ostfriesenwitze, Treffen-sich-zwei-Wasauchimmer-Witze und noch viel mehr. Es ist die Hölle!

Sie sollten ihrem Kind also am besten bis zu seinem Auszug den Zugang zum Internet verwehren. Aber vor allem schaffen Sie sich niemals einen dieser digitalen Sprachassistenten an. Sonst hören Sie irgendwann im Nachbarzimmer Ihr Kind sagen: „Alexa, erzähl mir einen Witz!“ Und dann ist die Witzebüchse der Pandora unweigerlich geöffnet und dann gnade Ihnen Gott. Oder Allah, Buddha, Shiva oder welche Gottheit Sie auch immer in existenziellen Notsituationen um Hilfe anflehen.

Don’t feed the troll

Sie kennen sicherlich den Ratschlag, im Internet nicht mit Trollen zu diskutieren, weil diese sich dann animiert fühlen, immer weiter zu machen. Das Gleiche gilt für Kinderwitze. Täuschen Sie am Ende des Witzes auf keinen Fall ein enthusiastisches Lachen vor. Ihr Kind wird dies als Ermutigung missverstehen, Ihnen weitere Witze zu erzählen. Fallen ihm irgendwann keine mehr ein, wird es anfangen, eigene Witze zu erfinden. Und dann können Ihnen nicht einmal mehr Gott, Allah, Buddah oder Shiva helfen. Die haben sich nämlich schon längst aus dem Staub gemacht.

Seien Sie nie um eine Ausrede verlegen

Steht erstmal der Witzedämon vor Ihnen, verfallen Sie wahrscheinlich in eine Schockstarre und wissen nicht, wie Sie sich retten können. Legen Sie sich daher eine Reihe von Ausreden zurecht, die Sie sofort parat haben, wenn Ihr Kind auch nur das Wort „Witz“ in den Mund nimmt.

Üben Sie diese Sätze in Rollenspielen ein, damit Sie auf die Frage „Möchtest du einen Witz hören?“ mit der Reaktionsgeschwindigkeit von einer Nanosekunde antworten können: „Später, mein Schatz. Ich muss noch die Taschentücher bügeln.“ Oder „Gleich, Liebling, ich muss erst meine Briefmarkensammlung nach Farben und Gewicht sortieren.“ Oder „Jetzt ist es ungünstig, Mäuschen. Ich muss noch drei Stunden apathisch die Wand anstarren, bis ich meinen Lebenswillen wiedergefunden habe.“

Recht bald werden Sie feststellen, dass diese Ausreden auch im Alltag sehr nützlich sind. Zum Beispiel, wenn Ihnen eine Kollegin ein Gespräch aufs Ohr drücken will. Oder Ihr Partner Sex will und Sie keinen Bock haben.

Flieht, ihr Narren!

Wenn Ihr Kind mit Witzen droht und Sie Ihre Ausreden noch nicht perfekt einstudiert haben, bleibt Ihnen nur noch die Flucht. Und zwar wortwörtlich.

Sorgen Sie dafür, dass Ihr Auto immer genügend Sprit im Tank hat, damit Sie ohne Verzögerung den nächstgelegenen Flughafen erreichen. Darüber hinaus sollte Ihre Kreditkarte zu jeder Zeit ein ausreichendes Limit aufweisen, um damit ein Last-Minute-Ticket nach Südamerika zu erwerben. Schließlich sollten Sie jederzeit einige Tausend Peso, Real und Sol in Form von Bargeld bei sich führen, um sich die ersten Tage in Mexiko, Brasilien oder Peru durchschlagen zu können, bevor Sie sich als Tagelöhner verdingen.

Praktisch in vielen Erziehungssituationen: Ein Privatflugzeug
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Kehren Sie erst wieder nach Hause zurück, wenn Ihre Kinder selbst Kinder haben. Dann ist die Gefahr der Kinderwitzehölle für Sie gebannt. Außer Ihr Kind wird der nächste Fips Asmussen. Dann sollten Sie sich Zeit Ihres Lebens auf Weltreise begeben. Oder sich eine neue Identität zulegen.

Seien Sie sich selbst die Nächste

Möglicherweise fehlen Ihnen die finanziellen und logistischen Mittel für eine Flucht nach Südamerika. Dann bleibt Ihnen nur ein Ausweg, um nicht einen elendigen Witzetod zu erleiden. Lässt es sich wirklich gar nicht vermeiden, dass Ihr Kind einen Witz erzählt, dann werfen Sie ihm irgendjemand anderen zum Fraß vor.

„Erzähl‘ doch Papa deinen Witz, der lacht so gerne.“ (Sagen Sie das allerdings nur, wenn Ihre Ehe ohnehin schon unwiderruflich zerrüttet ist.)

„Ruf‘ mal Oma an. Die freut sich bestimmt.“ (Damit haben Sie sich dann allerdings auch selbst enterbt.)

„Klingel‘bei Herrn Balder von nebenan. Der kennt den sicherlich noch nicht.“ (Anschließend organisieren Sie dann Ihren sofortigen Umzug, denn Ihnen besteht ein Nachbarschaftskrieg Deluxe bevor!)

Jemand anderen dem Witzedämon zu opfern, ist zugegebenermaßen nicht besonders ehrenhaft und moralisch äußerst verwerflich. Aber der sich nie irrende Volksmund sagt nicht umsonst: „Im Krieg, in der Liebe und bei Kinderwitzen ist alles erlaubt!“

Um Ihnen zum Abschluss noch etwas Tröstliches mitzugeben: Irgendwann ist Ihr Nachwuchs der Kinderwitze-Phase entwachsen. Wenn Sie etwas Glück haben, erzählt Ihr Kind dann richtig gute Witze.

 

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Quelle: Der Große von Andrea Harmonika

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Über den Autor

Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel „Nackte Kanone“ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog „Familienbetrieb“, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.

 

Am 13. März ist sein neues Buch „Hilfe, ich werde Papa. Überlebenstipps für werdende Väter“ bei arsEdition erschienen.

 

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Johannes Braun

Johannes Braun studiert Politikwissenschaften in Hamburg, ist ältester Bruder von zwei Geschwistern und interessiert sich für die Themen Neue Medien und digitale Wissensvermittlung. Er unterstützt scoyo als Werkstudent.