Das Fach, dessen Name nicht genannt werden darf: Mathelernen leicht gemacht
Katharina Looks
Harry Potter hat Voldemort. Schüler haben Mathe.
Harry Potter hat Voldemort. Schüler haben Mathe. Mit 1/3 bitterem Ernst und 2/3 süßer Ironie zeigt uns Christian Hanne, wie wir diesen Erzfeind endlich ins Herz schließen und das Mathelernen leichter wird.
Kolumne von Christian Hanne, Blog Familienbetrieb
Mathematik zählt wirklich nicht zu den beliebtesten Schulfächern. Eigentlich ist es der Voldemort unter den Fächern, das Fach, dessen Namen nicht genannt werden darf. Laut einer aktuellen Umfrage von scoyo und der Stiftung Rechnen haben knapp zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 7 Angst vor Mathe. Bei den 11- bis 13-jährigen Mädchen sogar jede Dritte.
Diese Furcht vor der Mathematik kann ich gut nachvollziehen, habe ich doch einen wiederkehrenden Alptraum, in dem ich mein Mathe-Abitur noch einmal schreiben muss und dabei vollkommen ahnungslos die Gleichung für eine kubische Parabel errechnen soll. Bitte fragen Sie mich nicht, was eine kubische Parabel ist. Ich wusste es damals nicht und heute ebenso wenig.
Dabei ist es eigentlich gar nicht so schwer, Kinder für Mathematik zu begeistern. Wenn Sie die nachfolgenden Tipps befolgen, wird sich Ihr Kind nicht mehr stundenlang YouTube-Videos reinziehen oder ganze Wochenenden unter Vernachlässigung der Körperhygiene an der Spielkonsole verzocken, sondern freiwillig mathematische Lehrbücher verschlingen und neue schreiben. Das garantiere ich Ihnen mit einer Wahrscheinlichkeit von 143 Prozent.
Matheaufgaben aus dem kindlichen Leben
Das große Problem der Schulmathematik liegt in ihrer fehlenden Alltagsrelevanz. Es gibt zum Beispiel sehr wenige Situationen, in denen sich nach meinem Abitur das Berechnen kubischer Parabeln als hilfreich erwies. Eigentlich gar keine.
Auch die meisten heutigen Textaufgaben haben keinen Bezug zum Alltag der Schüler. “Zwei U-Bahnen fahren die gleiche Strecke von A nach B. Die eine Bahn startet bei A und benötigt 12 Minuten bis B, die andere fährt bei B los und erreicht nach 9 Minuten A. Wann treffen sich die beiden auf der Strecke?” Da die meisten Schüler von ihren Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht werden, interessieren sie sich nicht die Bohne für ÖPNV-Berechnungen und verspüren nicht die geringste Lust, sie zu lösen.
Stellen Sie Ihrem Kind daher Aufgaben, die in seiner Lebenswelt von existenzieller Bedeutung sind:
“Der Akku eines Tablets verbraucht in der Stunde vier Prozent Energie. Wie viele Stunden kannst du noch Videos schauen, wenn der Akkustand aktuell 45 Prozent beträgt?”
Wenn Ihrem Kind ein paar Mal das Tablet mitten im Film abgeschmiert ist, wird es schon sehen, dass ein wenig mathematische Bildung nicht schadet. Weitere relevante mathematische Fragestellungen für Kinder:
– “Wie viele YouTube-Videos muss ich hochladen, bis ich zwei Millionen Fans habe und dafür bezahlt werde, durch die Welt zu reisen?” oder
– “Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Eltern nicht merken, dass ich mein Zimmer gar nicht aufräume, sondern alles nur unters Bett schiebe und in Schubladen stopfe?”
Mathelernen mit den Stars
Kinder brauchen Vorbilder, die ihnen die Angst vor der Mathematik nehmen. In der Welt der Mathematik ist die Zahl möglicher Idole allerdings recht dünn gesät. Der Russe Grigorij Perelman, der mit der Poincaré-Vermutung eines der größten mathematischen Rätsel gelöst hat, ist beispielsweise ein eigenbrötlerischer Sonderling, der im Alter von 60 Jahren immer noch bei seiner Mutter wohnt. (Ein Floh, den Sie Ihrem Kind unter keinen Umständen ins Ohr setzen wollen!)
Glücklicherweise haben die Kinder aber Idole, die Sie zu mathematischen Vorbildern umfunktionieren können. Zum Beispiel Cristiano Ronaldo. Das mag Sie jetzt vielleicht verwundern, aber für seine gefürchteten Freistöße muss er Entfernungen abschätzen, Anlaufgeschwindigkeiten planen und den Steigwinkel des Balls perfekt berechnen. Sie können also mit Fug und Recht gegenüber Ihrem Kind behaupten, der Erfolg Ronaldos basiert einzig und alleine auf seiner Kenntnis von stumpfen, spitzen, Scheitel-, Wechsel- und Stufenwinkeln und ihren Gesetzmäßigkeiten. Die Aussicht auf fußballerischen Ruhm und damit einhergehendem Reichtum sollte Ihr Kind außerordentlich motivieren, sich mit Freuden auf die nächste Geometrie-Klassenarbeit vorzubereiten.
Alltagsmathematik beim Einkaufen üben
Hervorragend eignet sich auch der wöchentliche Einkauf dazu, dass sich Ihr Kind mit mathematischen Grundkenntnissen vertraut macht. Lassen Sie es zum Beispiel an der Kasse ausrechnen, wie viel Wechselgeld es auf einen 50-Euro-Schein rausbekommt. Bei korrekter Rechnung darf das Kind das Wechselgeld behalten und in Schokoriegel investieren. Insbesondere samstagvormittags beim Discounter werden Sie von anderen Kunden sicherlich viel Zuspruch für Ihre alltagspraktischen, edukativen Bemühungen erhalten und Ihr Kind wird mit Lob überschüttet werden. Das stärkt obendrein das Selbstbewusstsein.
Ist Ihr Kind bereits im Teenageralter, können Sie gemeinsam mit ihm shoppen gehen, um sein Mathematikverständnis zu schärfen. Klamotten, Schuhe, Kosmetikprodukte, Computerspiele, Handys, Kopfhörer – alles, was das jugendliche Herz begehrt. Anschließend gehen Sie mit Ihrem kaufsüchtigen Nachwuchs zur nächsten Bank und beantragen Sie dort einen Kleinkredit. Den praktischen Anschauungsunterricht in Prozent- und Zinsrechnung durch den Bankberater gibt es inklusive. Zum Abschluss muss Ihr Kind dann noch ausrechnen, wie lange es Zeitungen austragen muss, um den Kredit abzustottern.
Mathematik geht durch den Magen
Gemeinsames Backen eignet sich ebenfalls ganz hervorragend für eine alltagspraktische Mathematikstunde. Beim Abmessen und -wiegen lernt Ihr Kind spielerisch Maßeinheiten wie Milliliter, Gramm und Pfund kennen. Darüber hinaus muss es mit Zahlen im Hunderter-Raum hantieren (200 Gramm Mehl, 500 Gramm Mehl) und wird mit einfachen Bruchrechnungen konfrontiert (ein Viertel Pfund Butter, eine halbe Zitrone). Mit etwas Übung wird es auch herausfinden, wieviel Gramm Teig es naschen kann, bevor ihm übel wird. Gewissermaßen ein Ausflug in die experimentelle Mathematik.
Sollte Ihr Kind schon etwas älter sein, lassen Sie es den Kuchen einfach mit der vierfachen Menge backen. Das Kind übt dadurch multiplizieren und Sie können mehr Kuchen essen. Eine klassische Win-Win-Situation! (Womöglich wird Ihr Kind nicht sofort zu der gleichen positiven Einschätzung der Situation kommen.)
Als Zusatzaufgabe kann Ihr Kind die maximale Tageskalorienmenge ausrechnen, die Sie zu sich nehmen dürfen, um sich in den folgenden Wochen wieder auf Normalgewicht zu hungern. Ebenfalls eine Win-Win-Situation. (Womöglich kommen Sie diesmal nicht zur gleichen positiven Einschätzung der Situation wie Ihr Kind.)
Mathematik, das reinste Kinderspiel
Was auf keinen Fall fehlen darf: Schulen Sie die Rechenfähigkeiten Ihres Kindes durch Gesellschaftsspiele. Starten Sie zunächst mit Mensch ärgere dich nicht, damit Ihr Kind die Zahlen bis sechs lernt. Machen Sie danach weiter mit UNO, wodurch Sie den kindlichen Zahlenraum erweitern. Außerdem kann das Kind dabei Kopfrechnen trainieren. Eine +4-Karte auf eine +4-Karte und darauf eine weitere +4-Karte ergibt insgesamt 12 Karten – und bei einem Mitspieler ziemlich schlechte Laune.
Später machen Sie dann mit Kniffel weiter, wo das Kind sich beim Ermitteln des Gesamtergebnisses in der schriftlichen Addition austoben kann. Fortgeschrittene können sich in der Wahrscheinlichkeitsrechnung ausprobieren und ausrechnen, um wieviel die eigenen Gewinnchancen steigen, wenn man selbst und nicht Mama oder Papa das Ergebnis zusammenrechnet.
Und zu guter Letzt: Gehen Sie nach wenigen weiteren Jahren zu Monopoly über. Aber nicht in der Kinderversion, sondern in der Erwachsenenvariante, bei der die Geldscheine bis 10.000 gehen. Sie werden erstaunt sein, wie selbst ein Kind mit Dyskalkulie plötzlich in der Lage ist, fehlerfrei mit hohen fünfstelligen Summen umzugehen, wenn es bei Ihnen die Miete für einen Hotelaufenthalt auf der Schlossallee abkassiert.
Nicht verzagen!
Wenn Sie nun aber selbst nicht die hellste Kerze auf der Mathetorte sind und Ihr Kind beim Rechnen nicht unterstützen können, müssen Sie nicht verzagen. Singen Sie einfach mit Ihrem Kind das Pippi-Langstrumpf-Lied, denn bei der ist 2 mal 3 gleich 4 und 3 mal 3 ergibt 6. Dann kaufen Sie Ihrem Kind ein Äffchen und ein Pferd und hoffen, dass es ohne Mathekenntnisse eine Karriere im Zirkus einschlägt.
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Über den Autor
Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel ‘Nackte Kanone’ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog ‘Familienbetrieb’, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September ist sein Buch “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith” im Seitenstraßenverlag erschienen. In zwölf gar nicht mal so kurzen Kurzgeschichten schreibt er darüber, wie Schwangerschaft, Marathongeburten und nachtaktive Babys eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft auf die Probe stellen.
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