Unterwegs im Harmony Express: Entspannt mit dem Auto in den Urlaub
Katharina Looks
Nur wenige überstehen die Urlaubsreise mit Kind im Auto schadlos – unser Kolumnist weiß da zu helfen!
Was braucht es, um mit Kindern entspannt in den Urlaub zu fahren? Christian Hanne sagt: Nicht viel! Es reichen massenhaft Süßigkeiten, ein Entertainment-Komplettpaket, ein Hells-Angels-Rocker und eine präventive Paartherapie.
Eine Kolumne von Christian Hanne, Blog Familienbetrieb.
Das Auto zählt zu den beliebtesten Urlaubsreisemitteln. Jedes Jahr benutzen ungefähr 50 Prozent der Deutschen, die in den Urlaub fahren, das Auto als Transportmittel ihrer Wahl. Wenn sie dann acht Stunden auf deutschen und eventuell europäischen Schnellstraßen verbracht haben, mehrmals bei brütender Hitze im Stau standen und von quengelnden Kindern in den Wahnsinn getrieben wurden, kommen sie als nervliches Wrack am Ziel an und hoffen, sich in den nächsten zwei Wochen soweit zu erholen, dass sie in der Lage sind, die Rückreise zu überstehen.
Das muss nicht sein! Mit den folgenden Tipps wird Ihre Autourlaubsreise entspannt und erholsam wie ein vierwöchiger Wellness-Urlaub in der Karibik. Einige der Tipps werden Ihnen möglicherweise unangemessen vorkommen, aber denken Sie daran: Im Krieg, in der Liebe und bei Autoreisen mit Kindern ist alles erlaubt. Schließlich wollen Sie körperlich und geistig unversehrt am Urlaubsort ankommen.
Entspannung geht durch den Magen
Die richtige kulinarische Verpflegung ist das A und O für eine entspannte Autoreise mit Kindern. Allerdings kann bei diesem Thema sehr viel falsch gemacht werden. Weltfremde Ratgeberseiten im Internet empfehlen immer wieder, Apfelschnitze, Karottenstifte, Paprikastreifen und Vollkornbrote sowie Wasser und ungesüßten Tee mitzunehmen. Das sei erfrischend und spende Energie.
Fallen Sie darauf bloß nicht rein! Denn was wollen Sie nicht? Erfrischte, energiegeladene Kinder, die Sie in Maschinengewehrgeschwindigkeit mit Fragen bombardieren. Und was wollen Kinder nicht? Gesunde Obst- und Gemüsesnacks. Diese werden als elterliche Provokation empfunden, die Meuterei auf der Rückbank ist vorprogrammiert. Ein klassische Lose-lose-Situation für alle Beteiligten!
Orientieren Sie sich bei der Zusammenstellung des Reiseproviants besser an den Lebensmitteln, die Sie Ihren Kindern normalerweise vorenthalten beziehungsweise nur in homöopathischen Dosen erlauben. Chips, Schokolade, Kekse, Gummibärchen, Nutella-Sandwiches, Bifi, Cheese-Strings sowie Limonade und Fruchtsäfte pur, einfach alles, was zu 99 Prozent aus Industriezucker und Fett besteht. Zugegebenermaßen sind alle diese Lebensmittel nicht gerade die idealen Bestandteile einer ausgewogenen Ernährung, aber Sie wollen ja auch nicht vom Bundesverband der Kinder und Jugendärzte zu “Eltern des Jahres” ernannt werden, sondern entspannt zu Ihrer Urlaubsdestination reisen. Weil es wahrscheinlich selten ist, dass Ihrem Nachwuchs solche Leckereien in derartigen Mengen bewilligt zugänglich sind, wird der Mund ununterbrochen gefüllt sein. Genau das ist das Ziel, denn mit vollem Mund lassen sich nicht so gut Fragen stellen. Achten Sie deshalb unbedingt darauf, dass die Essenszufuhr während der gesamten Fahrt unter keinen Umständen abreißt.
Außerdem wird der viele Zucker, den sie zu sich nehmen, zu Verstopfungen führen, so dass Sie nicht an einem schmierigen Rasthof Halt machen müssen, um Ihre Kinder über eine hygienisch fragwürdige Toilette zu halten, damit diese “groß” machen können. (So lange können Sie gar nicht Urlaub machen, um nach einem solchen Erlebnis wieder so etwas wie Entspannung zu fühlen.)
Ein kleiner Tipp noch: Kleiden Sie vor der Abfahrt den kompletten Fonds sorgfältig mit Plastikfolie aus, damit keine Schoko- und Fettflecken auf den Polstern entstehen oder Essensreste in irgendwelchen Hohlräumen verschwinden, wo sie sich zu einer neuen Lebensform weiterentwickeln. Darüber hinaus ist die Plastikfolie eine sehr gute Präventionsmaßnahme, falls Ihren Kindern vom vielen Essen schlecht wird.
Let me entertain you
In der heutigen hedonistisch geprägten Spaßgesellschaft möchten Kinder permanent unterhalten werden, sonst langweilen sie sich sofort. Und das wollen Sie im Auto unbedingt vermeiden, denn gelangweilte Kinder sind der Endgegner einer harmonischen Autoreise.
Denken Sie bei Unterhaltung aber bitte nicht an altmodische Spiele wie “Ich sehe was, was du nicht siehst” oder “Ich packe meinen Koffer”. Schließlich leben Sie nicht im 19. Jahrhundert und fahren mit einer Pferdedroschke in den Urlaub.
Nein, heutzutage erwarten Kinder Auto-Entertainment durch elektronische Unterhaltungsspielgeräte, wie portable DVD-Player, Tablets, Smartphones, VR-Brillen, mobile Spielekonsolen und so weiter. Falls Sie solche Geräte noch nicht besitzen, besorgen Sie sie. Und zwar alle. Das mag Ihnen zwar etwas kostspielig vorkommen, ist aber immer noch günstiger als ein Jahr lang zum Psychotherapeuten zu gehen, um das Trauma einer Autofahrt aufzuarbeiten, bei den Ihnen die Kinder acht Stunden lang ohne Pause “Hunger, Durst, Klo, wielangebrauchenwirnoch” ins Ohr geplärrt haben.
Gewähren Sie Ihren Kindern während der Fahrt unbeschränkten Zugang zu den Geräten und sparen Sie sich Albernheiten wie “Gleich machst du aber mal eine Pause, Schätzchen”. Schließlich ist das Ziel Entspannung und das erreichen Sie nicht, indem Sie mit einem tobsüchtigen Kind über altersangemessene Mediennutzung diskutieren.
Nicht vergessen: Kaufen Sie vor der Fahrt ausreichend Ersatzakkus, damit die Stromzufuhr bis zur Ankunft am Urlaubsort gewährleistet ist. Besorgen Sie außerdem jedes Gerät doppelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder mit ihren von den vielen Süßigkeiten verklebten Fingern irgendetwas irreparabel beschädigen, ist sehr hoch.
Machen Sie sich auch keine Gedanken, dass Ihre Kinder noch zu klein für elektronische Geräte sein könnten. Sobald die Hand-Auge-Koordination weit genug entwickelt ist, um Duplo-Legosteine zusammenzustecken, ist ein Kind auch in der Lage, ein Tablet zu bedienen. Wahrscheinlich besser als Sie!
Des Wahnsinns fette Kinderhörspiele
Falls sie aus waldorfpädagogischen Gründen Ihren Kindern den Zugang zu elektronischem Entertainment-Spielzeug verwehren möchten, können Sie auch auf Hörspiele und Kindermusik als Unterhaltungsprogramm zurückgreifen. Allerdings wandeln Sie dabei auf einem sehr schmalen Grat zwischen Entspannung (hinten bei den Kindern) und Wahnsinn (vorne bei den Eltern).
Organisieren Sie daher von der NASA getestete und für gut befundene Kopfhörer für Ihre Kinder, die absolut schalldicht sind. Denn Sie möchten unter keinen Umständen in Dauerschleife hören, wie Conni eines ihrer drölfzigmillionen Hobbys in Perfektion ausübt oder wie TKKG in der Manier einer mit der AfD sympathisierenden Bürgermiliz Verbrechen aufklärt. (Die Kopfhörer sind außerdem auch langfristig gesehen gut angelegt, zum Beispiel, um Tipp 1 und 2 “Wie Ihnen Ostern nicht auf die Eier geht” einfach umzusetzen.) Es soll Eltern geben, die im Stau ihr Auto angezündet haben, weil Sie das “Törööö” von Benjamin Blümchen nicht mehr ertragen haben.
Auch von Kindermusik sollten Sie sich tunlichst abschotten. Sonst laufen Sie Gefahr, dass Ihnen Rolf Zuckowski wieder und wieder ins Ohr brüllt, dass dein Platz im Auto hinten ist. Für Ihre Kinder ist es sicherlich kein schöner Anblick, wenn die Eltern einen Nervenzusammenbruch erleiden und sich in van-Goghscher Tradition die Ohren abschneiden.
Vertrauen Sie aber nicht blind auf den schalldämpfenden Effekt der Kinder-Kopfhörer. Diese könnten defekt sein und schon sind Sie doch dem Hörspiel- und Kindermucke-Terror ausgesetzt. Erlernen Sie daher in den Monaten vor dem Urlaub tibetanische Meditationstechniken, durch die Sie eins mit Auto und Straße werden und alle störenden Umweltgeräusche ausblenden. (Eine Fähigkeit, die auch nach dem Urlaub bei nervigen beruflichen Meetings sehr nützlich ist.)
Beware of the Geschwister-Fight-Club
Wenn Sie mit Geschwisterkindern unterwegs sind, hat das für die Urlaubsanreise seine Vor- und Nachteile. Der Vorteil: Die Kinder beschäftigen sich miteinander und sind nicht so schnell gelangweilt. Der Nachteil: Die Kinder beschäftigen sich miteinander und es kommt schnell zu Eskalationen gegen die die G20-Ausschreitungen in die Kategorie ‘Mahatma-Gandhi-Friedensmarsch’ fallen.
Daher müssen Sie sich auf eine Autoreise mit Geschwisterkindern besonders gut vorbereiten. Führen Sie beispielsweise die Verpflegung für jedes Kind in identischer Ausführung mit. Sortieren Sie Gummibärchen in farblich gleicher Zahl, wiegen Sie Chips-Portionen ab (Verwenden Sie dazu eine absolut perfekt messende Atomwaage, denn selbst eine Abweichung im µ-Bereich, wird im Fonds die Apokalypse auslösen) und schneiden Sie Nutella-Sandwiches akkurat in einheitliche Längen-, Breiten- und Höhenmaße. (Dass Sie das verwendete Nutella abwiegen müssen, haben Sie inzwischen sicherlich verstanden.)
Kaufen Sie auch die Spiele für die Unterhaltungsgeräte mehrfach, damit jedes Kind sein eigenes hat. Wahrscheinlich werden die Kinder gar nicht das gleiche Game spielen wollen, aber wenn es auch nur ein einziges Spiel ausschließlich in einfacher Ausführung gibt, möchte jedes Kind genau dieses haben und auf der Rückbank wird Krieg ausbrechen.
Trotz aller dieser Vorsichtsmaßnahmen sollten Sie ihre Kinder zusätzlich in dicke Schaumstoffpolster einwickeln, damit sie sich nicht verletzen können, wenn es auf der Rückbank trotz aller Maßnahmen zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kommt. Die Schaumstoffpolster haben außerdem einen erfreulichen schalldämpfenden Effekt, der Sie vor dem Fragefeuerwerk Ihrer Kinder schützt.
Wenn Ihnen das noch nicht ausreicht, engagieren Sie eine Gouvernante vom Schlage einer Frau Prysselius, die auf der Rückbank die Einhaltung von zivilen Umgangsformen durchsetzt. Oder noch besser: Sie nehmen einen volltätowierten, glatzköpfigen Hells-Angels-Rocker mit, der auf der Rückbank allein durch Blicke für Zucht und Ordnung sorgt.
Driving in Harmony
Zu guter Letzt: Denken Sie bei der Urlaubsreise auch an sich. Unter Paaren gibt es kaum ein größeres Konfliktpotenzial als gemeinsames Autofahren, bei dem passiv-aggressiv der Fahrstil des anderen kritisch kommentiert wird. (“Die war schon rot.”, “Der hatte Vorfahrt.”, “Du bist nicht Sebastian Vettel.”, “Du hättest abbiegen müssen.”).
Amerikanische Wissenschaftler der Fake University haben herausgefunden, dass das Trennungsrisiko nach einer fünfstündigen Familienautoreise bei 67 Prozent liegt. Mit jeder weiteren Stunde steigt es um sieben Prozentpunkte. Das heißt, bei einer Autofahrt von zehn Stunden und mehr können Sie vor dem Urlaub schon die Scheidungspapiere vorbereiten.
Diskussionen über angemessenes Fahrverhalten und die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung eskalieren häufig auch schnell und bringen tieferliegende Dissonanzen zum Vorschein (“Du mochtest meine Mutter noch nie.”, “Du sahst in dem Kleid doch fett aus.”). Beginnen Sie daher mindestens drei Monate vor dem Urlaub eine Paartherapie, um verdrängte Konflikte in ihrer Partnerschaft aufzuarbeiten, damit diese nicht während der Fahrt hervorbrechen.
Am besten nehmen Sie den Paartherapeuten gleich mit, damit er bei aufkommenden Differenzen während der Fahrt gütig vermitteln kann. Und falls er nicht weiterkommt, kann er immer noch den Hells-Angel-Rocker, der sich um Ihre Kinder kümmert, um Unterstützung bitten. Dies sollte eine friedvolle Urlaubsanreise gewährleisten
Ich wünsche Ihnen eine entspannte und harmonische Fahrt in den Urlaub und erholsame Ferien!
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Über den Autor
Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel ‘Nackte Kanone’ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog ‘Familienbetrieb’, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September ist sein Buch “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith” im Seitenstraßenverlag erschienen. In zwölf gar nicht mal so kurzen Kurzgeschichten sinniert er darüber, wie Schwangerschaft, Marathongeburten und nachtaktive Babys eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft auf die Probe stellen.
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