Was tun, wenn Kinder Mist bauen? Über Wiedergutmachung statt Strafe
Katharina Looks
Béa setzt auf Wiedergutmachung statt Bestrafung bei Kindern
Kinder machen eher selten das, was Eltern wollen. Sie haben ihren eigenen Kopf. Und das ist (oft) auch gut so! Warum Béa Beste auf Wiedergutmachung statt Strafe setzt, verrät sie uns in ihrer Kolumne.
Meine Tochter war so an die zehn Jahre alt, als sie Zeugin folgender Situation wurde: Mein Mann und ich mussten auf der Straße kurz ein Reserverad von einem Kofferraum zum anderen umpacken. Wie geht das am besten? Voller Freude rief mein schlaues Kind: “Popo an Popo!” Klar: Kurz die Autos Kofferraum an Kofferraum bringen, um so wenig wie möglich das schwere Ding zu schleppen – zumal wir Spezialisten für Bandscheibe & Co sind.
Und dann stand eines dieser zauberhaften Wesen in Uniform vor uns. Eine Politesse. Ob wir wüssten, dass es verboten sein, ein Auto in der umgekehrten Fahrtrichtung auf der Straße zu parken. Wir sagten, dass wir nicht parken würden, sondern nur kurz halten. Sie blieb unbarmherzig und schrieb uns ein Ticket. Meine Tochter versuchte, ihr mit großen Kinderaugen zu erklären, wie ungerecht das sei! Ich erkundigte mich, was eigentlich eine Beamtenbeleidigung on top kosten würde. Sie händigte uns wortlos den Zettel mit der Strafe aus und stöckelte davon.
Als wir später woanders (jetzt nun wirklich) parkten, fragte meine Tochter: „Können wir jetzt umgekehrt parken? Wir haben ja dafür schon bezahlt!” Ehrlich gesagt, innerlich grollte ich immer noch gegen die Ordnungshüter und so gesellte ich mich zu dem Trotz meiner Tochter und parkte falsch herum, in der Hoffnung, nicht noch mal bezahlen zu müssen. Ich hatte Glück diese Nacht.
Strafen in der Erziehung – was das bei Kindern wirklich für Folgen hat
Gerade bei den unabhängigen Denkern können Strafen als Erziehungsmittel genau das Gegenteil bewirken, von dem, wofür sie verhängt werden. Wenn unsere lieben Kleinen nicht einsehen, dass sie etwas falsch gemacht haben und nicht verstehen, was sie falsch gemacht haben, verstärken Strafen eher das unerwünschte Verhalten. Und wenn ganz von Anfang an nur mit Strafen und Druck erzogen wird, haben unsere Kinder bald gar keine unabhängige Denke mehr, sondern werden zu unselbstständigen Wesen, die nur aus negativer Motivation heraus agieren. Drückeberger. Ja-Abers. Anweisungsbefolger.
Wollen wir modernen Eltern das wirklich?
Kinder bauen aber oft Mist. Wie sollen sie lernen, dass das nicht ok war?
Wat nu? Schimpfen, erklären und dann nichts? Ist das dann ausreichend Erziehung? Nur Einsicht fördern, ist das die Lösung?
Was bei uns in der Familie immer funktioniert hat, ist eher das Prinzip Wiedergutmachung statt Strafe – inklusive der Konsequenzen. Das erfordert Gespräche und Erklärungen. Es erfordert, dass klar wird, wer unter einem bestimmten Verhalten zu leiden hatte. Und womit man denjenigen dann wieder glücklich machen könnte.
Meine Beispiele, wo Wiedergutmachung statt Strafe in der Erziehung bestens funktioniert hat:
1. Zu lange nach dem Turnen getrödelt und nicht zur vereinbarten Zeit zurück zu Hause angekommen?
Mama hat sich Sorgen gemacht. Sich einen Unfall vorgestellt. Eine Kindesentführung. Hat innerlich schon die Blaulichter der Polizei vor dem Haus und die Hundertschaft mit Hunden bei der Suche gesehen. Das kann zwar massives Augenrollen in der präpubertären Phase hervorrufen, aber selbst dann kann ein Kind verstehen: Mama ging es verdammt schlecht dabei. Wiedergutmachung: Wenigstens eine kleine Nacken-Entspannungsmassage für Mama müsste drin sein.
Und wenn wir schon mal dabei sind, uns gegenseitig zu verstehen … auch Mama kann dabei etwas verstehen. Möchte das Kind nach dem Sport noch etwas mit den anderen klönen? Das ist OK, dann lässt sich dafür ein Puffer einbauen. Oder es schickt noch kurz eine Nachricht mit der Verspätungsankündigung – denn meistens ist es so, dass Kinder, die alleine unterwegs sind, heutzutage auch mit deinem entsprechenden Mobilgerät ausgestattet sind, um wenigstens eine SMS absetzen zu können. Also Konsequenz (muss ja gar nicht zu Lasten des Kindes gehen!): Klare Abmachung, wie viel Verspätung noch OK ist, und ab wann eine Nachricht abgesetzt wird.
2. Omas wertvolle Teekanne beim Spielen, sogar nach mehrfachem Ermahnen, kaputt gemacht?
Schnelle Konsequenz: Aufräumen. Dann sollte ein Entschuldigungsgespräch stattfinden, bei dem nicht nur dem formellen Akt der Entschuldigung genüge getan werden sollte, (… ehrlich gesagt, das allein kann man meiner Meinung in die Tonne treten …) sondern bei dem das Kind von Oma erfahren sollte, warum die Kanne wertvoll war. Hat sie einfach viel Geld gekostet? Oder hängen an dem guten Stück wunderbare Erinnerungen und Omas Herz blutet gerade? Wiedergutmachung: Was könnte Oma trösten? Eine neue Teekanne zu töpfern? Oder eine aus den Ferien mitzubringen? Oder ein wenig bei der Gartenarbeit auszuhelfen?
Also: Je weniger etwas verhängt wird von oben herab (typische Strafen bei der Kindererziehung), und je mehr die Empathie des Kindes verstärkt wird, sein Verhalten zu reflektieren und zu verstehen, warum der andere Mensch jetzt “geschädigt” ist, desto besser! Bei uns hat sich das so entwickelt, dass meine Tochter ein immer feineres Gespür für meine Wünsche bekommen hat.
Die Krönung meiner Wiedergutmachungen: Gutscheine. Für Ausstellungs- und Museumsbesuche. Ohne Maulen.
Über Béa Beste
Béa Beste, Bildungsunternehmerin
Bildungsunternehmerin Im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin plädierte Bildungsunternehmerin Béa Beste als Expertin im Bereich „Wie wollen wir lernen?“ für eine Lernkultur der Potenzialentfaltung und mehr Heiterkeit in der Bildung. Béa gründete 2006 die bilingualen Phorms Schulen, einige Jahre später die monatlich erscheinende Tollabox mit Materialien und Bastel-Ideen für Familien mit Kindern ab drei Jahren. Die Mutter einer erwachsenen Tochter führt den Kreativ-Blog der Tollabox als ‘Tollabea’ weiter.
Webseite: www.tollabea.de | Facebook: facebook.com/tollabea | Twitter: @TOLLABEA | twitter.com/TOLLABEA
Kolumne – von Eltern für Eltern
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