Ferien sinnvoll nutzen? Was Kinder wie am liebsten lernen.
Katharina Looks
Ferien sinnvoll nutzen: Lernen, ja oder nein?
Mehr als die Hälfte der SchülerInnen lernt auch in den Sommerferien. Die Intensität steigt sogar. Kindern gefällt das weniger gut. Wir zeigen, welches Wissen und welche Kniffe in den Sommerferien gefragt sind.
Wenn wir an die Zeit kurz vor und während der (Sommer)Ferien denken, steigt bei vielen bestimmt eine angenehme Wohlfühlnostalgie auf und der Geruch der Tartanbahn in die Nase. Wer verbindet gerade mit den Sommerferien nicht Freiheit, Unbeschwertheit und Abenteuer erleben? Vor allem, Abstand von Schule und Schulstoff. So unbelastet sind leider auch 2017 weniger als die Hälfte der deutschen Schüler, denn 59 Prozent der Kinder in Deutschland lernt auch in der schulfreien Zeit. Das hat eine repräsentative forsa-Umfrage unter 1.002 Eltern schulpflichtiger Kinder ergeben*. Damit bleibt die Anzahl derjenigen Kinder (und meist auch Eltern), die sich auch im Sommer Matheformeln und Co widmet, gleichbleibend hoch (seit 2012 lernt mehr als jedes zweite Kind auch in den großen Ferien).
Dabei steigt die Intensität derjenigen, die pauken, dieses Jahr sogar. Während 2015 nur jedes fünfte Kind regelmäßig lernte, ist es 2017 schon jedes vierte. Von diesen Kindern lernt mehr als jeder dritte mehr als zwei Stunden (!). Und wie aus der Umfrage hervorgeht, sind oft auch andere Familienmitglieder involviert. Denn viel „genutzte“ Lernbegleiter sind Eltern, Geschwister und Großeltern. Was es beim Thema “Lernen in den Ferien” zu beachten gibt und wie Kinder, falls notwendig, motiviert Schulstoff büffeln, zeigen wir Ihnen in diesem Artikel. Eines vorweg: Viel Sinvolles kann, nichts muss.
Ferien sinnvoll nutzen: Lernen, muss das sein?
Angesichts der vielen Kinder, die auch in den Ferien lernen, stellt sich doch die Frage: Muss das denn sein? Denn eine parallel zur forsa-Studie durchgeführte FACT-Umfrage unter Kids** zeigt, dass die überwiegende Mehrheit (67%) „gar nicht gerne“ oder „weniger gerne“ in den Ferien paukt. Jeder dritte Schüler findet es außerdem nicht notwendig, sich in den Ferien dem Lehrstoff zu widmen. Wenn trotzdem mehr als jedes zweite Kind lernen „muss“, klingt das nach Stress und Reibereien daheim. Was treibt Kinder und Eltern also an, auch in den Sommerferien den Blick auf den Schulstoff zu werfen?
Steckt ein hoher Leistungsdruck dahinter? Dass sich mehr als jeder fünfte Schüler im Sommer mit Grammatik, Vokabeln oder Mathegleichungen beschäftigt, um sich, nach eigener Aussage, „auf das neue Schuljahr vorzubereiten“, deutet darauf hin. Auch die in der forsa-Umfrage von den Eltern angegebenen Hintergründe zur Ferienpaukerei ihres Nachwuchs’ lassen Rückschlüsse auf einen gefühlt hohen Leistungsdruck zu: zwei von drei Müttern und Vätern sind der Meinung, der Schulstoff müsse gefestigt werden, fast die Hälfte der Eltern nannte die Vorbereitung auf das nächste Schuljahr als Grund. Nur für ein Drittel ist ein konkreter Nachholbedarf Antrieb für das Lernen in den Ferien.
„Eltern verspüren leider einen anhaltend hohen Druck in Bezug auf die Ausbildung und Erziehung ihrer Kinder. Alle wollen nur das Beste, übersehen dabei aber leicht, dass es nicht immer das Gymnasium und Studium sein muss. Am Wichtigsten bleibt: Kinder sollen motiviert und mit Spaß lernen, ihre Stärken entdecken und ausbauen sowie ihre Persönlichkeit entwickeln. Sie müssen zu kompetenten Menschen werden. Dafür brauchen sie Zeit, auch und gerade jenseits der Schulbücher“, kommentiert Daniel Bialecki, Geschäftsführer von scoyo, die Ergebnisse.
Ferien sinnvoll nutzen: Lernen ja oder nein?
Betrachten Eltern diese Ergebnisse, stellt sich bestimmt schnell die Frage: Bin ich eine schlechte Mutter/ein schlechter Vater, weil mein Kind in den Ferien lernt? Überfördere ich? Oder muss ich vielmehr dann meine Einstellung überdenken, wenn mein Nachwuchs nicht zu den 59 Prozent der „Ferienlerner“ gehört?
Pauschal kann das natürlich auf keinen Fall beantwortet werden und ist immer abhängig von der individuellen Situation des Kindes. Adolf Timm, ehemaliger Schulleiter der Europaschule Timmendorfer Strand und Buchautor, rät aber: “Die Schultasche sollte in der ersten Hälfte der Ferien erst mal in die Ecke gestellt werden. In der zweiten Hälfte ist es für die Schülerinnen und Schüler allerdings durchaus angebracht, sich stundenweise auch mit Mathematik, einem Diktat oder englischen Vokabeln zu beschäftigen”, so Timm. Sozusagen, um nicht einzurosten. Aber es muss nicht immer nur der Schulstoff sein. “Am meisten helfen Eltern ihren Kindern, wenn sie bei ihnen die drei Schlaumacher B – K – A stärken: B – Bindung: ‚Ich gehöre dazu!‘, K – Kompetenz: ‘Ich kann was!’ und A – Autonomie: ‘Ich schaff das allein!'”, so der Bildungsexperte. Arbeitnehmer arbeiten in ihrem Urlaub auch nicht einfach weiter.
Wir haben uns im scoyo ELTERN! Magazin schon länger Gedanken zu diesem Thema gemacht und viele wertvolle Tipps und Ideen für eine sinnvolle Feriengestaltung zusammengestellt:
Ferien sinnvoll nutzen: Wenn lernen, dann bitte mit digitalen Medien
Bei manchen Schülern ist aber ein konkreter Nachholbedarf in Mathe, Deutsch und Co. vielleicht wirklich vorhanden. Solange es nicht zum Hauptthema wird und die Schüler versuchen, das gesamte Schuljahr in sechs Wochen nachzuholen, können kleine Lerneinheiten in den Ferien Sinn machen. Josef Kraus, ehemaliger Vorsitzender des deutschen Lehrerverbandes, gibt dabei zu bedenken: „Wer sechs Wochen durchbüffelt, startet schwach ins neue Schuljahr“. Daniel Bialecki rät deshalb dazu, die Lerndauer zu begrenzen.
Kinder sollten für motiviertes und stressfreies Wiederholen des Lernstoffs möglichst viel Entscheidungsfreiheit bekommen und zum Beispiel spielerisch neue Methoden ausprobieren dürfen – wie digitale Lernangebote. Denn Kinder lieben sie, wie die FACT-Umfrage auch ergeben hat: zwei von drei Kindern lernt gerne mit einer Lernsoftware, Online-Lernprogrammen oder Apps. „Lernen mit PC, Tablet und Smartphone macht viele Schüler erst einmal neugierig und motiviert sie. Diesen Effekt können Eltern und Schüler gemeinsam nutzen, um eine möglichst sinnvolle Bildungserfahrung zu machen“, erklärt Dr. Florian Sochatzy, elearning-Experte und Geschäftsführer des Instituts für digitales Lernen. Heißt: Wenn die Schule Thema in den Ferien ist, dann am besten so, dass es wenig Stress für die ganze Familie bedeutet.
Und wie finde ich gute Angebote? Florian Sochatzy rät folgendes: „Der Markt bietet eine große Spannbreite an Angeboten – von völlig nutzlosen werbefinanzierten Apps bis hin zu hochwertigen Anwendungen, mit denen das Entdecken und Üben durchdacht und spielerisch gelingen kann. Die zeitliche Belastung sollte allerdings nicht allzu hoch angesetzt werden, schließlich sind es ja immer noch die Ferien.” Sinnvolle Absprachen zur Lerndauer (und auch Mediennutzungszeit) sind also in jedem Fall ratsam.
Nicht nur Selbstbestimmung bei den Methoden vermeidet von Anfang an Ärger und Reibereien. Ein mit Ihem Kind gemeinsam aufgesetzter und damit selbstgesteuerter „Lernvertrag“, der Umfang, Inhalte und Lernhilfen festlegt, sorgt für eine vertrauensvolle und motivierte Stimmung.
Ferien sinnvoll nutzen: digitale Kompetenz bei Kindern mit der ganzen Familie schulen
Und es muss auch nicht unbedingt das Schulwissen selbst sein, das dafür genutzt wird, um das Gehirn in der schulfreien Zeit auf Trab zu halten. Die Ferien lassen sich auch sinnvoll nutzen, um Dinge zu erlernen, die im (Schu)Alltag oft zu kurz kommen: So wie Selbstvertrauen, Selbständigkeit oder soziale und digitale Kompetenzen. Gerade in Bezug auf die ‘digitale Kompetenz’ sind Eltern wie Schüler sowieso über das Angebot von der Schule unzufrieden. Fast jedes dritte Kind fühlt sich generell nicht genügend abgeholt zu Fragen wie zum Beispiel „wie recherchiert man richtig im Internet?“, „wie qualifiziere ich gute Quellen?“ oder „wie funktioniert Werbung im Internet?“. Von der Schule schon gar nicht. Nicht einmal jeder vierte Schüler empfindet die schulische Wissensvermittlung über die digitale Welt als ausreichend. Vielmehr sind für mehr als die Hälfte der Kinder ihre Eltern Hauptansprechpartner.
Warum also die Ferien nicht dazu nutzen und sich in Ruhe verschiedenen Facetten digitaler Technologien zu widmen. Denn das gemeinsame Entdecken der virtuellen Welten und das Gefühl, die Eltern als kompetente Bezugsperson zu erleben, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich Ihr Kind Ihnen anvertraut, wenn im Netz etwas nicht so gut läuft (wie verstörende Inhalte oder Nachrichten, Mobbing). Gleichzeitig können Sie gemeinsam mögliche Gefahren definieren und Ihr Kind damit Schritt für Schritt kompetent für die digitale Welt machen.
Wir haben hier für Sie im ELTERN! Magazin bereits verschiedene Ratgeber zum Themenkomplex „Kinder und Medien“ zusammengestellt.
Viel Spaß beim Erkunden und Ferien genießen wünscht die scoyo-Redaktion.
* forsa-Umfrage im Auftrag von scoyo im Mai 2017, bundesweit repräsentativ. Befragt wurden 1.002 Personen im Alter von 25 bis 59 Jahren mit schulpflichtigen Kindern
** FACT-Umfrage im Auftrag von scoyo im Mai 2017. Befragt wurden 629 Kinder im Alter zwischen 8 und 14 Jahren
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